ALLGEMEINE WIRKUNGEN DER KUNST AUF DIE GESELLSCHAFT UND DAS INDIVIDUUM

"I believe that the only real value of the medal, as with everything else,
lies in its human function and in its human importance." (John Cook)


Wir gehen hier etwas näher auf die Basis und die Ausrichtung unseres Werks ein und stellen diese in einem größeren Zusammenhang dar. Damit wird der Leser dieser Zeilen und der Betrachter der Reliefabbildungen vielleicht dazu angeregt, seine eigene Position nicht nur hinsichtlich bestimmter Kunstwerke oder Kunstrichtungen zu bestimmen, sondern auch seine persönliche Haltung zum Verhältnis zwischen der Kunst und seiner eigenen Lebenssituation, zwischen der Kunst also und dem, was ihn unmittelbar selbst bewegt und betrifft.

Eigentlich müsste "man" hier zunächst definieren, was "man" unter "Kunst" versteht. Die Bandbreite dessen, was als "Kunst" bezeichnet wird, ist jedoch äußerst weit und sowohl von Zeit und Ort als auch von vielfältigen Interesssen- nicht nur wirtschaftlichen- abhängig. Die Definitionsgewalt, die "Lufthoheit" über den Kunstbegriff, also die Definition, was gute oder schlechte Kunst ist oder möglicherweise gar keine Kunst, ist in der Praxis auch eine Machtfrage, spätestens hier kommen dann noch weitere Abhängigkeiten ins Spiel. An dieser Stelle wollen wir hier nur die Summe unserer Erkenntnis mitteilen, nachdem wir uns mit etlichen Kunstdefinitionen, Kunstbegriffen und auch einigen Kunsttheorien etwas vertraut gemacht haben: "Kunst ist Kunst und sonst gar nichts!" Das ist doch schon mal was.

Zur angemessenen Beurteilung des heutigen Begriffes "Kunst" und seiner Zeitabhängigkeit ist es nach unserer Ansicht von Interesse, sich mit seiner historischen Bedeutungswandlung und seiner Absetzung vom "Handwerk" zu befassen, was wir hier aus Platzgründen nicht unternehmen wollen- abgesehen davon, dass dies für uns nur ein Thema am Rande ist.

Eine einigermaßen allgemein akzeptable Definition des Begriffes "Kunst" zu geben, erscheint uns also unmöglich. Zu sehr ist der Begriff seit ca. 1900 grundsätzlich aufgeweicht und erweitert worden, spätestens seit Marcel Duchamps "Urinoir" oder "Pissoir" und seinem "Flaschentrockner". Kunst ist heute eine Worthülse, in die man fast alles stopfen kann, vorausgesetzt, der Gegenstand, die Aktion, ... hat keinen unmittelbaren, praktischen Zweck- außer dem des Geldverdienens und dem des davorgeschalteten "Bekanntwerdens"- falls erforderlich mit einem kleinen "Skandal" oder "Skandälchen". Wir wollen deshalb uns nicht mehr mit dem Begriff "Kunst" näher befassen, da er sehr diffus und auch widersprüchlich ist- allzu oft von persönlichen und gesellschaftlichen Gruppen-Interessen und Netzwerken- Galeristen, Kunstwissenschaftlern, Museen, Redakteuren, Sammlern- in seiner Definition beeinflusst und bestimmt.

Eine logische Konsequenz daraus ist anlässlich der DOKUMENTA 2012 gezogen worden (Bild.de, 9.6.2012):
"Die Teilnehmerliste der 13. Documenta umfasst 297 Namen, darunter auch Wissenschaftler, Mitarbeiter des Kuratorenteams und bereits gestorbene Künstler wie Salvador Dalí.
Was diese Teilnehmer ausstellen, „mag Kunst sein oder nicht”, hatte documenta-Chefin Christov-Bakargiev bei der Vorstellung ihres Konzepts erklärt. „Die Grenze zwischen dem, was Kunst ist und was nicht, wird unwichtiger.”"


"Die Kunst ist frei, und der Betrachter ist es ebenso. Er darf Ich sagen und dieses Ich gegen alle Künstler, Händler, Kritiker behaupten. Er muss sich nicht von anderen erzählen lassen, was er sehen soll. " ( Hanno Rauterberg: Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung, Seite 197 , S.Fischer Verlag, 2007, ISBN 978.3-10-062810-7 )

 

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Medaillen und Kunstmedaillen haben im Kontext der Kunst eine leider stiefmütterlich behandelte Rolle inne. Wir zitieren hierzu Jose Teixeira, "Professor at the Fine Arts School of Lisbon University since 1998":
" The plastic arts are the materialisation of thought and feeling, united by whatever two- or three-dimensional basic material the artist chooses to work with. Unlike painting and sculpture- art forms that saw a break away from the stigma of manual labour during the Renaissance period, placing the status of the artist on a par with that of the intellectual- medals are still considered an inferior art form, more a product of craft-work than a vehicle for the expression of aesthetic thought and feeling, capable of making its own social statement. Evidently this is not a question of the size of a medal - quite the opposite. It is quality, not quantity, that is of the essence here."

Teixeira entwickelt von dieser Vorstellung ausgehend sein Konzept der modernen Medaille.

Wir sind übrigens der gleichen Auffassung wie Teixeira, nur haben wir aus dieser Erkenntnis andere Schlussfolgerungen gezogen.

 

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Interessanter und auch sinnvoller als die Frage "Was ist Kunst?", weil die zu erwartenden Antworten differenzierter und für praktische Schlussfolgerungen geeigneter sind, erscheint uns hingegen die verwandte Frage, welche Auswirkungen und Eindrücke vom Menschen hergestellte Gegenstände oder durchgeführte Aktionen auf ihn selbst und andere haben können- wobei diese Gegenstände und Aktionen nur dadurch gekennzeichnet sind, dass sie keinem unmittelbaren praktischen Nutzen dienen. Wir haben den Begriff "unmittelbar" hier durchaus mit Bedacht gewählt. Es gibt, was den praktischen Nutzen anbelangt, unserer Auffassung nach, durchaus fließende Übergänge.

Sicherlich ist damit die Subjektivität in den Antworten dieser Frage nicht vermieden, aber die möglichen Antworten können systematischer, vollständiger gefasst und auch besser auf ihren psychologischen Kern zurückgeführt werden. Der Betrachter kann sich somit über seine eigenen Beweggründe durch die gewonnene Übersicht besser Rechenschaft geben, was ihn auch zu einer besseren Selbsterkenntnis, insbesondere durch die Beantwortung der Fragen führen kann : Was ist mir persönlich wichtig ? Was ist mir persönlich an der Kunst (im vorher weitgefassten Sinne) wertvoll ?- und im Zusammenhang im Bezug zur Lebenskunst: Was sind meine Werte? Wo finde ich meinen Sinn, mein Sinnerleben? Wenn Kunst letztlich für den Menschen "da ist", also "l'art pour l'art" nicht das primäre Kriterium und Ziel, erscheint uns die Frage nach Kriterien zur Beurteilung von Werken hinsichtlich ihres Angebots von potentiellen Wirkungen auf den Betrachter nur die logische Konsequenz und von höherer Bedeutung zu sein als das Suchen und Erfüllen von irgendwelchen Definitionen "was wohl Kunst ist" und die Festschreibung, welche Eigenschaften ein Werk haben muss, um formal als Kunst zu gelten.

 

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Es ist nicht selbstverständlich, dass "Kunst" und "Kunstwerke" im Verlauf der gesamten Menscheitsgeschichte im gesellschaftlichen und privaten Bereich eine sehr große Bedeutung hatten, haben und haben werden:

Das gibt Anlass zur Vermutung, dass diese hervorragende Stellung der Kunst einen Grund in der natürlichen und kulturellen Evolution des menschlichen Lebens haben könnte. Diese Spur haben verschiedene Autoren verfolgt und in bezug auf einige Bereiche der Kunst durchaus auch plausibel gemacht:

In einer dieser Untersuchungen- von Thomas Junker und Sabine Paul [1]- finden wir einen Hinweis auf vier Eigenschaften, die in der Regel von der "Kunst" erwartet werden. Allerdings sind diese Eigenschaften, worauf der Zusatz "in der Regel" bereits hinweist, durchaus nicht unstrittig:

"(1) Eine schöne oder anderweitig Interesse weckende Form.

(2) Eine spezielle Funktion, die sich von der eines normalen Gebrauchsgegenstandes unterscheidet und die schwer erkennbar sein kann. .....

(3) Eine (symbolische) Bedeutung. Diese wird von allen Menschen intuitiv verstanden, wenn es sich um ein artspezifisches, biologisches Signal handelt. In dem Maße, in dem die Bedeutung durch kulturelle (d.h. sozial erlernte) Symbole vermittelt wird, ist sie nur den Mitgliedern der jeweiligen Gemeinschaft ("Kultur") zugänglich.

(4) Ein Element der Phantasie. ... "

Es ist jedoch umstritten, ob und wie diese Eigenschaften "zusammenkommen müssen" , damit ein Werk als Kunstwerk bezeichnet werden kann.

 

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Einen weiteren Hinweis auf die Wirkungen der Kunst auf den Menschen finden wir in einem Werk von Menninghaus , das ebenfalls die Ästhetik mit der Evolution des Menschen verknüpft.

Wir zitieren einen Katalog potenziell förderlicher Kunstwirkungen als Ergebnisse aus "Kooptationsanalysen" von W. Menninghaus [2: Seite 260]:

- Beförderung des allgemeinen Wohlbefindens durch selbstbelohnende, inhärent lustvolle ästhetische Praktiken (individuelle oder sozial geteilte);

- Einübung, Prägung, Verfeinerung und Infragestellung ...ästhetischer Codes und Zeichenpraktiken;

- Übung und Steigerung motorischer und technischer Fähigkeiten;

- Beförderung von sozialer Kommunikation, teilweise auch sozialer Kooperation;

- intensivierte Selbstwahrnehmung, emotionale Selbstregulation ("mood management") und Verbesserung der Selbstklarheit durch den "Gebrauch" der Künste für das Wecken, Steigern, Beruhigen, simulative Ausagieren und reflexive Deuten von Gefühlen;

- Erproben und Neujustieren von Ethiken des Wertens und Handelns im realitätsentlasteten Simulationsmodus;

- Erkunden von (fiktiven) Möglichkeitsspielräumen und Chancen des Andersdenkens und Andershandelns;

- Anregung, Beschäftigung , Herausforderung komplexer kognitiver Verstehensleistungen, einschließlich des Umgangs mit Mehrdeutigkeit und potenziell unendlicher Deutbarkeit.

Anmerkung : Die oben aufgeführte "Übung und Steigerung der motorischen und technischen Fähigkeiten" ist wohl auch der Grund dafür, dass wir uns- im Nachhinein betrachtet- für die Medaillen- und Reliefkunst mit ihren potentiell größeren handwerklichen Herausforderungen entschieden haben.

Menninghaus führt weiterhin aus, dass sich dieses Spektrum "potenziell förderlicher Kunstwirkungen" "weitgehend mit den Annahmen zu Leistungen und Wirkungen der Künste , die seit Kant, Schiller und den Romantikern in der philosophischen Praxis vertreten werden" deckt.

Die Kunst erscheint unter diesem Gesichtspunkten weder als Technik der Werbung um Individuen des anderen Geschlechts noch als Bindemittel für soziale Gruppen- was im Gegensatz zu [1] steht .

Wie weit allerdings diese "förderlichen Kunstwirkungen" bei den Rezipienten im praktischen Kunstbetrieb der Gegenwart, der durch Befriedigung vieler anderer Interessen der "Markteilnehmer" gekennzeichnet ist, überhaupt zum Tragen kommen, halten wir durchaus für hinterfragenswert. Förderliche Kunstwirkungen bei den Rezipienten, die in der Gegenwart besonders wichtig sind, scheinen uns besonders durch Wertzuwachs und Prestigeerhöhung gekennzeichnet zu sein.

 

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Wie bereits oben erwähnt, stellen wir hier die Ausrichtung unseres Werkes in einem größeren Zusammenhang dar. Wir fragen uns deshalb, welche Erkenntnisse aus der Wahrnehmung von Bildkunst auch für die Kunst des Reliefs und damit auch des Kleinreliefs, möglicher Weise sogar für die Kunstmedaille im eigentlichen Sinne, gelten könn(t)en. Aufschlussreich erscheint uns dabei insbesondere der Bildbegriff und die "Wahrnehmung und Gestaltung von (Kunst-) Bildern - Produkt unbewusster Phantasien und Konflikte ? ", die in einem Aufsatz der Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber: Der Bildbegriff in der Psychoanalyse, behandelt werden [3].

"Bilder bieten dem Betrachter, psychoanalytisch betrachtet, ... : "Sehnsüchte, Wünsche und Phantasien, aber auch tabuisierte Gefühle und Impulse. die er ablehnt oder in sich selbst verleugnet, kann er von innen nach außen, auf Bilder, projizieren und dadurch einen "erlaubten" Zugang zu seinem Unbewussten finden. Der Betrachter fühlt sich vom Bild fasziniert und emotional intensiv angesprochen, gerade weil Unbewusstes für ihn "sichtbar-gemacht", d.h. wahrnehmbar und kommunizierbar wird, ohne dass es der eigenen Zensur anheim fällt. Das Dargestellte, Bedrohliche und Unheimliche begegnet ihm in der Außenwelt- im Bild des Künstlers- und nicht als eigener verbotener Triebimpuls, als persönliche, peinliche oder erschreckende Phantasie. Dieser Prozess kann für den Betrachter wie eine Katharsis wirken. Zudem wird er- über das Kunstwerk- in einen kulturellen Raum gestellt und teilt seine idiosynchratische unbewusste Phantasiewelt nicht nur mit dem Künstler, sondern mit anderen Betrachtern in einem bestimmten historischen und kulturellen Augenblick."

 

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Ergänzend sei hier noch auf zwei weitere mögliche Wirkungen von Kunst beim Besitzer und Betrachter von Kunstwerken hingewiesen:

Eine durchaus nicht zu unterschätzende Beförderung des Wohlbefindens ist augenscheinlich durch den Besitz von Kunst- möglichst teuer natürlich- gegeben: Es ist die Wirkung auf die Gesellschaft- Kunst als Statussymbol und die daraus folgende Aufwertung der Person: Schaut her, wie weit ich es gebracht habe! Was kann ich mir nicht alles leisten! Der Besitz, das Eigentum an teurer Kunst ist ein Symbol des Luxus', des Überflusses- und kann somit dem bunten Federkleid von Vögeln entsprechen mit dem damit verbundenen evolutionären Selektionsvorteil!?

Auch kann man sich durchaus fragen- und eigene Beobachtungen sprechen dafür- ob ansonsten etwas spießig eingestellte und sehr bieder wirkende Bürger ihre demonstrative Wertschätzung in Bezug auf "revolutionäre" Kunst nicht dazu verwenden, sich selbst und anderen den Eindruck zu vermitteln, dass sie doch eigenlich ganz anders sind als sie äußerlich scheinen und im Kerne eine fortschrittliche und vorurtellsfreie Einstellung haben.

Einen weiteren Hinweis auf mögliche Wirkungen der Kunst ist aus der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst (www.medaillenkunst.de) aus dem Abschnitt "Über uns" entnehmbar (Stand 2011,...): "Im Leben die eigene Mitte zu finden und zu halten, ist nicht leicht. Kunst kann wie ein Kompass dazu verhelfen und den Weg weisen". Ob und wieweit dies- für den Künstler oder den Betrachter zutrifft- mag der Leser selbst entscheiden. Persönlich sind wir der Auffassung, dass hier die Kunst in ihrer Funktion und Wirkung leicht in die Gefahr läuft, überfordert zu werden.

Der Kunst wurde und wird offenbar immer noch "mit enormen, eigentlich unerfüllbaren Erwartungen begegnet". ... "Die Wertschätzung der Kunst verlangt ihren Preis- und um diesen geht es in den folgenden Aufsätzen immer wieder. Sie sind im Geist des Misstrauens geschrieben. Dessen Basis ist die Vermutung, dass die hohen Ansprüche. die man an die Kunst immer wieder stellte, als man Therapie oder Revolution, Ausnahmezustand , Glück oder das "ganz Andere" von ihr erhoffte, weder denen, die Kunst machten, noch denen, die sich damit beschäftigten, gut taten." [4]

Kunst wurde in der Vergangenheit von der weltlichen und geistlichen Obrigkeit nicht selten dazu instrumentalisiert, deren Weltanschauungen- die selbst als Kompass für das Leben dienen sollten, den Menschen besser zu vermitteln. Das trifft besonders für autoritäre Systeme und deren Machtanspruch zu. Das ist der Kunst nicht besonders gut bekommen.

Unser eigener Versuch, Kunst und Lebenskunst stärker miteinander zu vernüpfen, Beziehungen zwischen ihnen zu entdecken, herzustellen und zu vertiefen, um sich in beiden Bereichen weiter zu entwickeln, ist hinsichtlich "der Weg weisenden Kunst" wesentlich bescheidener.

 

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Die Integration von "Kunst" in das "Leben" lässt sich auch aus einer völlig anderen- ganz elementaren- Blickrichtung betrachten, die vielleicht für den einen oder anderen Leser allzu elementar und geradezu lächerlich erscheinen mag- die wir aber für durchaus beachtenswert in diesem Zusammenhang betrachten. Es sind die- horribile dictu- Richtlinien für den gymnasialen Kunstunterricht [5]: Immerhin haben sich über das Thema nicht wenige "Fachleute" den Kopf zerbrochen- relativ unbeeinflusst von den vielen externen "Störgrößen" des Kunstmarktes. Natürlich werden auch diese Richtlinien nicht ganz unbeeinflusst vom "Zeitgeist" sein, es bleibt uns jedoch zu hoffen, dass dieser Einfluss aufgrund des "nicht wirtschaftlichen" und "nicht prestigeorientierten" Charakters dieser Richtlinien eine recht begrenzte Bedeutung hat. Ob eine Aussage bedenkenswert ist oder nicht, wahr oder unwahr, diesen Hinweis erlauben wir uns noch- kann von vorherein nicht davon abhängig gemacht werden, wer diese Aussage gemacht hat: Auch wenn die Aussage aus dem Umfeld einer, uns selbst etwas "suspekten", Kultus-Ministerialbürokratie kommt. Zumindest sind wir in diesem Umfeld vor so manchen Überspanntheiten sonstiger Kunsterscheinungen relativ sicher- hoffen wir zumindest.

Da wir nicht ganz ausschließen können, dass der Leser dieser Zeilen vielleicht "Kunsterziehung" studiert oder sogar in diesem Bereich tätig war, können wir zumindest aus diesem Bereich auf eine gewisse Zustimmung hoffen.

Wir zitieren aus [5] , Seite 32:

" Im Fach Kunst stehen das Erfinden und Gestalten, das Wahrnehmen, die Suche nach dem Sinn, das Interpretieren als Handlungszusammenhang im Mittelpunkt. Die im Kunstunterricht geübten Umgangsweisen mit Phänomenen und Bildern/Bildwelten können für andere Fächer nutzbar gemacht werden: Das Erfinden und Gestalten, das genaue Beobachten, das Deuten als reflektierter offener und reversibler Prozess, das Strukturieren und Umstrukturieren. Umgekehrt lassen sich auch Informationen, inhaltliche Zusammenhänge, methodische Ansätze aus anderen Fächern im Kunstunterricht auf vielfältige Art nutzen."

Nicht nur im Fach Kunst stehen die oben aufgeführten Tätigkeiten, wie "Erfinden und Gestalten, das Wahrnehmen, die Suche nach dem Sinn,..." im Mittelpunkt, sondern auch im "menschlichen Leben" allgemein.

Im betrachteten Textzitat steht der Begriff "Bild" stellvertretend für alles, "was auf visuelles und haptisches Wahrnehmen hin gedacht und gemacht ist: Malerei, Zeichnung, ..., Skulpturen, Graffiti, Installationen u.a.m.". Somit sind an dieser Stelle auch die Medaille und das Relief eingeschlossen, auf die sich der hier vorliegende Text von uns im Besonderen bezieht.

Interessant für uns sind im vorliegenden Zusammenhang die Aussagen über Bildkonzeptionen:

"Künstlerische Bildwelten fordern die Wahrnehmung einer Reihe miteinander verschränkter Merkmale. Hierzu gehören die Interdependenz von Inhalt und Form und, im Zusammenhang damit, die Interpretationsoffenheit, die Komplexität, die Originalität, die Individualität und die Gesellschaftlichkeit, die Geschichtlichkeit."

 

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Die hier aufgeführten, verschiedenen Wirkungen der Kunst können natürlich subjektiv in ihrer Bedeutung unterschiedlich bewertet werden. Sofern eine grundsätzliche Entscheidung getroffen worden ist, in einem Bereich der Kunst tätig zu sein, kann die Übersicht über die möglichen Wirkungen der Kunst und die Umgangsweisen mit ihr eine Anregung für einige Fragen geben: Was ist für uns persönlich wichtig? Wie können wir unser Werk ausrichten, wie mit dem verknüpfen, was uns persönlich in unserem Leben wichtig ist? Wie wollen wir unser Werk ausrichten- damit es uns eine dauerhafte Freude und Befriedigung schenkt und uns innerlich bereichert und die Möglichkeit einer sinnvollen persönlichen Weiterentwicklung bietet? Sofern der Bereich der Kunst, auf dem wir selbst tätig ist, und auch die Art, wie wir diese ausführen, frei wählbar ist- und das gilt sicherlich insbesondere für den, der nicht mit seinen Werken den Lebenunterhalt verdienen muss, sind solche grundsätzlichen Fragen besonders bedenkenswert. Natürlich werden solche Überlegungen nicht gleich am Anfang einer künstlerischen Tätigkeit- was immer das auch sein mag- stehen, sondern dort wird das spontane Beginnen, das Schaffen "wegen der Freude" das Motiv für die ersten Schritte sein.

Diese etwas naiv wirkende Beschreibung des Motivs kann man für den besonders anspruchsvollen Leser natürlich auf gehobenerem Niveau ausdrücken: Wir haben uns eine Tätigkeit für unsere Freizeit ausgesucht, die uns mit größter Wahrscheinlichkeit auf längere Zeit die Möglichkeit des Erlebens von "flow" - bescheidener Weise auch von "miniflow" oder "microflow" - bietet.

Sofern allerdings ein "Nachdenken" über die eigene Position, über die Motivation, über den Sinn der eigenen Tätigkeit erfolgt, kann daraus unversehens die Frage nach der Ausrichtung des eigenen Werkes in Bezug auf- und seiner Einbettung in das "normale" Kunstgeschehen resultieren.

Für uns persönlich hat sich zunächst bei unserem Medaillen- und Reliefwerk der Schwerpunkt "Interpretationsoffenheit" herausgebildet - dies zeigt sich bereits bei unseren ersten Werken. Die Interpretationsoffenheit des Werkes ist mit mehreren der oben aufgeführten Eigenschaften, Wirkungen und Anforderungen verknüpft, sie bietet die größte Verknüpfung mit den potentiell "förderlichen Kunstwirkungen". Sie hat deshalb unser größtes Interesse. In dem Bereich der "Interpretationsoffenheit" haben wir dann nach unserer individuellen Interessenlage eine thematische Verknüpfung mit der Gestaltung der eigenen Lebensführung- der Philosophie der Lebenskunst- vorgenommen.

Aus einigen der oben aufgeführten Eigenschaften und Wirkungen von Kunstwerken (hier speziell der bildenden Kunst) auf den Menschen lässt sich direkt eine prinzipiell mögliche enge Vernüpfung von "Kunst" und "Lebenskunst" ersehen.

Wir werden im Folgenden die Verknüpfung der interpretationsoffenen Kunst mit der Lebenskunst durch die Kunst der Interpretation näher beschreiben und dann unsere Werke aus diesen Bereichen vorstellen.

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Literatur :

[1] Thomas Junker, Sabine Paul: Der Darwin Code; Die Evolution erklärt unser Leben, C.H.Beck, 2009, ISBN 978 3 406 58489 3

[2] Winfried Menninghaus: Wozu Kunst ?; Ästhetik nach Darwin, Suhrkamp Verlag, 2011, ISBN 978-3-58565-8

[3 ] Marianne Leuzinger-Bohleber: Der Bildbegriff in der Psychoanalyse; Aufsatz in: Stefan Majetschak, Hrsg., Bildzeichen - Perspektiven einer Wissenschaft vom Bild, Wilhelm Fink-Verlag, 2005, ISBN 3-7705-4205-3

[4] Wolfgang Ullrich: Tiefer hängen - Über den Umgang mit der Kunst, Wagenbach, 2003, ISBN 3 8031 2479 4

[5] Richtlinien und Lehrpläne Kunst: Gymnasium Sekundarstufe I in Nordrhein -Westfalen, Heft 3405,4/1993, ISBN 3-89314-297-5

Version 1.0 (Juli 2012)

 

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