Welche Bedeutung hat also das Qualitäts- Kriterium "Interpretationsoffenheit" in der bildenden Kunst- und inwieweit ist dieses Kriterium auch in der Medaillen- und Reliefkunst in sinnvoller Weise anwendbar ? Version 1.0 , Juli 2012 Hinsichtlich der Bedeutung der Bedeutung der "Interpretationsoffenheit" in der bildenden Kunst haben wir uns in der Literatur etwas umgesehen. Da die Fähigkeit zu einer angemessenen Interpretation nicht nur für die bildende Kunst, sondern auch für die Kunst eines gelingenden Lebens , die "Lebenskunst", eine große Bedeutung hat - und beide miteinander verbunden sein können- was jedoch sicherlich von der individuellen Persönlichkeit des Betrachters abhängt- geben wir hier Zitate an, die sich auf beide Bereiche - also die Kunst und die Philosophie der Lebenskunst- - erstrecken. Die folgenden Zitate können natürlich nur einen kleinen Einblick in die hier betrachtete Thematik geben, sie mögen jedoch dem Leser eine Anregung sein, den Blick "von außen" auf den Bereich der Medaillen- und Reliefkunst zu richten, um damit die mögliche Bedeutung der Interpretationsoffenheit in der Medaillen - und Reliefkunst, verglichen der Bedeutung der Interpretationsoffenheit in der bildenden Kunst allgemein, etwas klarer zu sehen. Eine Anregung, sich durch weitere Lektüre das eigene Urteil weiterzubilden ist damit das Folgende natürlich auch. Der Leser sei ausdrücklich dazu angeregt. sich kritisch mit den Zitaten auseinander zu setzen und sich eine eigenständige Meinung zu bilden. Hinweis: Die zitierten Werke werden in der Folge nicht um ihrer selbst willen, sondern als Erörterungsgrundlage, Argumentationsunterstützung und sachbezogene Ergänzung aufgeführt, somit besteht eine innere Verbindung zwischen dem zitierten und dem zitierenden Werk. Der Schwergewicht dieser Webseite liegt auf der eigenen geistigen Auseinandersetzung mit dem hier behandelten Thema- die Zitatsammlung ist also hier als unterstützendes, sachbezogenes Hilfsmittel für die eigene Argumentation anzusehen.
Hanno Rauterberg:Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung Seite 197 "Die Kunst ist frei, und der Betrachter ist es ebenso. Er darf Ich sagen und dieses Ich gegen alle Künstler, Händler, Kritiker behaupten. Er muss sich nicht von anderen erzählen lassen, was er sehen soll. " Wilhelm Schmidt Seite 57 Seite 58 Hanno Rauterberg
Seite 269 Tilmann Moser Udo Kultermann Seite 205 "Durch die Kunst nur vermögen wir aus uns
herauszutreten und ebenso uns bewußt zu werden, wie ein anderer
das Universum sieht, das für ihn nicht das gleiche ist wie für
uns, und dessen Landschaften uns sonst ebenso unbekannt geblieben wären
wie die, die es möglicherweise auf dem Monde gibt. Dank der Kunst
verfügen wir , anstatt nur eine einzige Welt- die unsere -zu sehen,
über eine Vielfalt von Welten, das heißt über so viele,
wie es originale Künstler gibt, Welten, untereinander verschiedener
als jene anderen, die im Unendlichen kreisen." Jean- Christophe Amman Seite 52 "Wahrnehmen heißt hier, dass eine immanente, intuitive Dimension in meine Bildvorstellung eindringt, sie verändert, neue Bilder schafft, mich zu neuen Bildern führt, mich in anderen Bildern denken lässt, mich lehrt, mit Bildern umzugehen. Was kann wichtiger sein in einer heutigen Wwelt, in der jeder tagtäglich mit Tausenden Bildern konfrontiert ist ? Wieso glaubt man, dass das Nichtlesenkönnen von Bildern unschädlicher ist als Analphabetismus ?" Wilhelm Schmid
Seite 184 Der Reichtum an Möglichkeiten aber, Zusammenhänge ausfindig zu machen und sie zu erzeugen, sorgt für die Fülle des Sinns; sinnlos bleibt nur das, was ohne Zusammenhang ist. Bei der Arbeit der Deutung und Interpretation kann man von einem Prinzip der hermeneutischen Fülle ausgehen, wonach das Leben prinzipiell weitaus mehr Sinn und Bedeutung in sich birgt, als aktuell vorzufinden ist. Auch einem Subjekt selbst kommt weitaus mehr Sinn und Bedeutung zu, als es auf den ersten Blick den Anschein hat- ganz so, wie auch ein Kunstwerk weitaus mehr Bedeutung auf sich sich vereinigt, als dies zunächst wahrnehmbar ist, und ein Text reicher an Bedeutung ist, als sich dies der oberflächlichen Lektüre erschließt. Sogar das Missverständnis kann sich noch als hilfreich bei der Suche nach Sinn und Bedeutung erweisen: Es lenkt die Deutungsarbeit auf unvorhergesehene Bahnen. Erst recht erkundet eine kreative, experimentelle, neue Interpretation die hermeneutische Fülle: Die Fülle der Deutungsmöglichkeiten sorgt dafür, dass die Arbeit der Hermeneutik, die dem Leben Sinn gibt, niemals an ein Ende kommt. Indem diese Arbeit bewusst betrieben wird, eignet sich das Subjekt der Lebenskunst sich selbst hermeneutische Macht an, um nicht von der Deutungsmacht Anderer abhängig zu sein, wenn es darum geht, den Sinn des Lebens zu finden. In der Deutung kann nämlich in der Tat Macht verborgen sein, die auf subtile Weise in Interpretationen zum Ausdruck kommt, die nicht als solche ausgewiesen sind, da sie die Sekbstverständlichkeit einer Wahrheit für sich in Anspruch nehmen. Lebenskunst macht aus der Arbeit der Deutung eine reflektiertev Tätigkeit und begründet eine autonome Hermeneutik, die dem Subjekt erlaubt, sich selbst aufs Verstehen zu verstehen und eigenständig Bedeutung zu erschließen, statt weiterhin einer heteronomen, von anderen bestimmten Hermeneutik unterworfen zu bleiben - .... Seite 31 Den Weg, den das Subjekt in seinem Leben nimmt, wird erschlossen durch die hermeneutische Frage: Welches Verständnis vom Leben habe ich ? Interpretationen, das eigene Leben und die Lebenswelt betreffend, ermöglichen dem Subjekt der Lebenskunst die Führung des Lebens. Durch die Arbeit der Interpretation wird geklärt, was für das Selbst Bedeutung hat , was nicht, was als wichtig und unwichtig erscheint und auf welche Weise der Vollzug des Lebens daran jeweils zu orientieren ist. Die Arbeit der Interpretation richtet sich ebenso darauf, die Bedeutung der lebensweltlichen Phänomene und Zusammenhänge kennen zu lernen und zu entziffern, zu wissen, wie etwas zu verstehen ist. Sowohl im einen wie im anderen Fall handelt es sich jedoch nicht um das einfache Erschließen einer objektiven Bedeutung, vielmehr besteht die Arbeit darin, selbst Bedeutung herzustellen und dem Leben zu geben. Durch Interpretation wird jenes Wissen erarbeitet, das ein Subjekt fürs Leben braucht, um sich aufs Leben zu verstehen... Michael Hauskeller (der folgende Abschnitt bezieht sich auf Arthur C.Danto) Seite 101 "Doch muss man zuweilen um den Bezug wissen, in den ein Gegenstand vom Künstler hineingestellt wird, um ihn als Kunstwerk zu identifizieren zu können. Ein Kunstwerk hat Eigenschaften, die ein gewöhnlicher Gegenstand nicht hat, jedoch unsichtbare. Wenn ich weiß, worüber es ist, verändert sich vielleicht meine Wahrnehmung, aber nicht derart, dass ich nun etwas sehe, was mir vorher entging. Wenn ich etwas anderes sehe, dann deshalb, weil an die Stelle eines bloßen Dinges ein Kunstwerk getreten ist. Das Ding wird zur Kunst durch die Möglichkeit seiner Interpretation. Läßt etwas keine Interpretation zu oder bedarf es ihrer nicht, kann es sich nicht um Kunst handeln. Die Wirkung der Kunst beruht also nicht ...-auf so etwas wie einem unvermittelten, gedankenfreien Stoß. Danto zufolge macht erst die Interpretation ein Werk zu dem, was es ist, wobei sich nicht jedes Ding für jede beliebige Interpretation eignet. Interpretieren bedeutet, die Beziehung zwischen dem Werk und seinem materiellen Substrat aufzuzeigen, und das wiederum setzt voraus, dass es eine solche Beziehung gibt. "
Wilhelm Schmid Seite 31 Seite 106
Wolfgang Ullrich
Seite 64 Statt die Kunst nur als Kunst-etwas von innerer Vollkommenheit und Autonomie- zu würdigen, geht es inzwischen darum, sie zuerst in dem wahrzunehmen, was sie über eine Beschäftigung mit dem eigenen Kunst- Sein hinaus bietet. Kunstwerke sollten nicht nur als Kunstwerke gelten dürfen; vielmehr sollte ihre Erschließungsleistung jener spezifische Blick des Künstlers im Mittelpunkt stehen, egal ob es sich dabei um ein formales Phänomen, ein soziologisches oder politisches Sujet oder eine spezifische Stimmung handelt. Ein wesentliches Kriterium von Kunst wäre es dann, ob sich ausgehend von einem Werk eine Diskussion entwickeln lässt, in deren Verlauf es gar nicht mehr um die Frage nach dem Kunsthaften des Werkes geht. Das tritt vielmehr nur indirekt, als Quelle von Gedanken oder als Garant einer gewissen Konzentration, in Erscheinung. Dafür wird die Unerschöpflichkeit der Kunst darin erfahrbar, dass ein Nachdenken über ein Werk kein schnelles Ende findet und doch nicht vom Thema abkommt. Alberto Manguel
Seite 19 "Was wir sehen ( Anmerkung des Zitierenden: wenn wir durch ein Museum schlendern) , ist die Übersetzung des Bildes in unsere eigene Wahrnehmung. Wie Bacon bemerkte, können wir leider (oder zum Glück) nur sehen, was wir in der einen oder anderen Gestalt bereits kennen, wofür wir bereits Vorbilder besitzen - so wie wir nur eine Sprache verstehen , deren Wortschatz und Grammatik wir beherrschen. " Anmerkung des Zitierenden : Der vorstehende Satz erscheint mir doch ein wenig zu pessimistisch , wie würden wir wohl dann, in die Vergangenheit gedacht, uns eine bestimmte Grammatik oder einen Wortschatz aneignen können. Uns erscheint als Voraussetzung ein wenig Vernunft und Sensibilität und keine allzu "abnorme" Gefühlswelt durchaus eine hinreichende Bedingung zu sein, um Dinge "zu sehen", die wir nicht bereits vorher kannten. Der obige Satz enthält jedoch - wie vieles- aber durchaus ein Körnchen Wahrheit, nur darf man ihn nicht allzu eng sehen. Zur Unverbindlichkeit von Kunstwerken: Wolfgang Ullrich
Wo der Betrachter grenzenlos träumen und projizieren darf, werden am Ende ebenfalls nur ein paar Tautologien bleiben: Das Werk ist dann kein Gegenüber, das eigenmächtig genug sein kann, um verbindliche Impulse zu geben, ja um den Rezipienten zu treffen und in seinem Denken und Fühlen zu verändern (was für Schiller noch ganz selbstverständlich zur erfüllten Unendlichkeit gehörte). Und was alle Möglichkeiten in sich enthält, wird schließlich darauf reduziert werden können, gefällig zu sein. Transzendenz schlägt um in Dekoration. Zwar mag es einzelnen Rezipienten gut tun, wenn sich ein Werk nach ihren Erwartungen und Bedürfnissen richtet, doch wenn sie ehrlich sind, wird immer eine Unsicherheit bleiben: Dass dasselbe auch etwas ganz anderes bedeuten könnte, ist zu spüren, und dass ein Werk einen verrät, sobald sich ihm ein anderer Interpret nähert, muss jeder akzeptieren, der sich mit ihm beschäftigt. Ein Joker, der von vielen gleichzeitig verwendet wird, ist ein unverbindlicher Geselle. Dabei ist die Unverbindlichkeit nur eine weitere Un-Tugend der Kunst und enger Begleiter der anderen Un-Tugenden. Kunst und Psyche "Sehr rasch reagiert der Betrachter zunächst auf eine "Stimmung", die von einem Bild ausgeht. Es kann sich um Bruchteile von Sekunden handeln, die sich über das Bewusstsein nicht direkt erschließen und in denen das eigene Unbewusste auf das Unbewusste des Werkes reagiert. Diese Stimmung nimmt ihn gefangen, manchmal sogar zu stark, um sich ihr sofort ganz auszusetzen. Er schaltet seinen Verstand und seine Bildung ein mit den darin enthaltenen inhaltlichen und formalen Kategorien und Anhaltspunkten für eine bewusstere Wahrnehmung der Szene oder des künstlerischen Arrangements . Erst diese rationale Distanzierung, die sich sowohl in Staunen, Glück wie in Beruhigung äußern und im Extrem einer seelischen Flucht wie einer "Andacht vor der Stimmigkeit" gleichen kann, erlaubt eine umfassendere Sicht des Kunstwerks. Der geübte "Schauende" wird sich den
Schwankungen zwischen primärer affektiver Reaktion und analytischer
Betrachtung überlassen, um Genuss aus beidem zu ziehen. Es kann sich
ein Dialog zwischen den so genannten "Spiegelneuronen" zwischen
den "Partnern" Kunstwerk und Betrachter entwickeln, der eine
wechselseitige Einfühlung erlaubt. Dabei ist es natürlich kühn,
auch das Kunstwerk für ein lebendiges Gegenüber zu halten, aber
hinter dem Bild steht ja immer ein Künstler, der etwas ausdrücken
möchte. Die Wirksamkeit dieses Dialogs ist offensichtlich, und sie
eröffnet durchaus einen Weg, sich bei Bedarf mit dem seelischen Zustand
des Künstlers zu beschäftigen, obwohl dies in keinem Fall als
zwingend erscheint, da das Kunstwerk ja bereits eine Objektivierung einer
zu vermutenden Stimmung oder eines Konfliktes, ja der Traumatisierung
des Künstlers darstellt."
Hanno Rauterberg:Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung Seite 213 Seite 187 Jean- Christophe Amman Seite 9 " Das Spannende an einem Kunstwerk ist seine Vieldeutigkeit. Es kann aus verschiedenen, von allen unerwarteten Blickpunkten angegangen werden. Je nach Blickpunkt ergeben sich unterschiedliche Assoziationsfelder, die selbst den Künstler überraschen und indirekt in sein Werk zurückfließen können. Klar, man sollte ein Werk nicht als Mittel zum Zweck benutzen, um eigene Ansichten oder Theorien zu illustrieren. Das geschieht immer wieder und ist ärgerlich. Die Assoziationsfelder, die sich aus den verschiedenen Blickpunkten ergeben, werden vom Motiv, von der Komposition, vom Gegenstand oder schlicht vom Zeitgeist her initiiert, und dies geschieht unabhängig vom Medium. Es ist wie einem Frage- und Antwortspiel. Jede Antwort führt so zu einer neuen Frage. So entstehen Entgrenzungen, die mit der Auflage verbunden sind, das Werk nicht aus den Augen zu verlieren. " Terry Eagleton S 111 Auch geht es hier nicht um eine Schöpfung aus dem Nichts. Die Menschen bestimmen sich selbst, aber nur auf der Basis einer tieferen Abhängigkeit von der Natur, der Welt und anderen Menschen." aus der Zeitschrift : Psychologie heute, Juli 2009, S. 13 "Haben wir das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, sucht unser Gehirn verzweifelt nach Sinn. Plötzlich erkennt es dann überall Muster und Zusammenhänge, selbst wenn es diese überhaupt nicht gibt. In ersten Experimenten zeigte sie den Teilnehmern Bilder, auf denen eine Reihe schwarzer Punkte chaotisch verteilt war. Fast die Hälfte der Probanden denen während der Versuche das Gefühl von Kontrollverlust vermittelt worden war, entdeckte Motive wie etwa einen Delfin, einen Totenkopf oder eine Sanduhr im reinen Punktechaos. Für die entspannte Kontrollgruppe blieb das Gewirr aus Punkten schlichtweg ein simples Gewirr aus Punkten. Haben wir eine Situation nicht mehr völlig im Griff, neigen wir dazu, die wenigen uns bekannten Informationen als vollständiger und bedeutsamer anzusehen, als sie es tatsächlich sind. Doch es gibt ein Mittel gegen die verzerrte Wahrnehmung
stellte Whitson bei den Versuchen fest: Besinnen wir uns auf Werte und
Dinge, die uns wichtig sind, lässt das Gefühl des Kontrollverlustes
nach , und unsere Wahrnehmung der Welt kommt wieder ins Lot." Stefan Heidenreich Seite 209 Wie Kreativität entsteht (von Uwe Jens Meyer: Das Edison-Prinzip - der genial einfache Weg zu erfolgreichen Ideen, Frankfurt, Campus-Verlag, 2008): ....Als vierter Irrtum muss gelten: Kreativität bedeutet freies Herumspinnen. Nach dem Motto: "Lassen Sie uns ganz frei nach neuen Ideen suchen." Diese Aufforderung führt meist in eine Kreativblockade. Denn kreativ sein bedeutet, Wissen neu zu netzen. Hierfür muss unser Kopf zielgerichtet nach relevanten Puzzle-Teilen suchen. Ist die Aufgabe zu allgemein formuliert, fällt unserem Kopf das Suchen schwer. "Einschränkungen fokussieren Probleme. Sie setzen Hürden, die es zu nehmen gilt und liefern so Inspirationen", schrieb Marissa Mayer, Entwicklungschefin von Google in einem Artikel." Udo Kultermann Seite 254 Die wichtigste Frage über ein Werk der Kunst ist
die, wie tief es in dem Leben verwurzelt ist, aus dem es entspringt.
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