Kunststudium Eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich des "Nutzens" eines Kunststudiums (der bildenden Kunst) stellt sich allerdings ein, wenn man feststellt, wie skeptisch sich in dieser Hinsicht auch Personen ausdrücken, die dies eigentlich beurteilen können sollten: Arrivierte Künstler und Personen, die mit der "akademischen Ausbildung" von Künstlern oder Kunsterziehern befasst sind oder waren. Selbstverständlich wird man hier kein Pauschalurteil fällen können- da hier immer die konkrete Situation und die konkreten Menschen in ihrer Beziehung zueinander von großer, wesentlicher Bedeutung für das Resultat einer künstlerischen Ausbildung sein werden. Wir zitieren an dieser Stelle passend - nicht zuletzt
um einer Auflockerung des Textes und um der Kurzweil des Lesers wegen-
den Maler Gerhard Richter, der nach zwölf Jahren als Professor an
der Akademie in Düsseldorf zu folgender Auffassung gelangte: Wir lesen in der gleichen Literaturstelle [1] : Natürlich sind heutzutage die Verhältnisse an den Kunsthochschulen völlig anders, .... - und sicherlich die Verhältnisse an Kunsthochschulen und in der Ausbildung für Relief- und Medaillenkunst nur bedingt miteinander vergleichbar. Der "Ausweis" einer akademischen Ausbildung
allein scheint allerdings- zumindest im oben erwähnten Bereich- für
sich allein betrachtet, nicht besonders aussagekräftig zu sein. So haben nach hergekommener Ansicht i.a. "schöne" Formen eine glatte Oberfläche und so es ist sinnvoll, sich über verschiedene Verfahren der Oberflächenglättung zu informieren und deren Anwendung unter Anleitung auch praktisch einzuüben, um das eigene Repertoire und Darstellungsspektrum- im übertragenen Sinne also die zur Verfügung stehende Palette- zu erweitern. Da Schönheit in den letzten Jahrzehnten allerdings einen sehr zweifelhaften Ruf bekommen hat, ist es aber eigentlich gar nicht nötig, sich über solche Petitessen den Kopf zu zerbrechen. Einige Künstler "rotzen" auch ganz mit Absicht ihre Werke hin und sind durchaus erfolgreich. Sicherlich ist jedoch eine handwerkliche "Grundausbildung" viel sinnvoller, als sich mühselig selbst ein bestimmtes Verfahren " ab ovo" auszudenken und dieses per "trial and error" zu optimieren. Als vor einigen Jahren der Autor dieser Seite einen recht renommierten Medaillenkünstler um einen Hinweis bat, wie man denn glatte, "weiche" Oberflächenteile erreichen könne, erhielt er als Antwort: "Jeder Künstler hat da sein eigenes Verfahren - das muss man selbst herausfinden." Sicherlich war dies für einen damaligen Anfänger eine ungeheuer "ermutigende" und "motivierende" Auskunft. Der Autor hat übrigens inzwischen eine ihn selbst einigermaßen zufriedenstellende Lösung des Problems gefunden... . |
In der Medaillenkunst hat die besonders betrachterwirksame Gestaltungskomponente "Farbe" nur eine untergeordnete Bedeutung - deshalb ist die den eigenen Absichten entsprechende Abstimmung von "Inhalt" und "geometrischer Form" umso bedeutsamer- was die Gestaltung einer "gelungenen" Medaille (was auch immer das sein mag) umso schwieriger macht. Eine kleine Ergänzung mag dies näher erläutern: Man verzeihe uns die folgende - ziemlich ketzerische Anmerkung : In der bildenden Kunst ist es unter der Ausnutzung der spezifischen Wirkung von Farben auf den Menschen- möglichst großflächig auf das Werk aufgetragen- durchaus möglich, die Abstimmung zwischen Inhalt und Form fast völlig oder gar gänzlich zu vernachlässigen- der Betrachter ist trotzdem "überwältigt". Von einer "schön" farbigen Tapete wäre er es wohl allerdings auch. Die Bedeutung der Form tritt hier gegenüber der Farbe fast völlig zurück. Das (offensichtlich in vielen Fällen sehr aufregende) Innenleben des Künstlers und eine entsprechend stimmungsmäßige Anregung des Betrachters treten hingegen in den Vordergrund. Dem Entwerfenden von Medaillen und Kleinreliefs stehen solche Möglichkeiten aufgrund der sehr beschränkten Größe der zur Verfügung stehenden Fläche- in überzeugender Weise- nur sehr begrenzt zur Verfügung. Wir zitieren zur besonderen Bedeutung der Farbe und zur bewussten Ausnutzung dieses Umstandes Benvenuti Cellini- der Leser mag für sich selbst entscheiden, ob und in wiefern dieser recht hat- immerhin ist Cellini schon lange tot, was sicherlich gegen ihn spricht :-) : Benvenuto Cellini Eine gewisse Skepsis gegenüber der Schönheit durch Farbe äußert auch Paolo Pino (16.Jahrhundert), ebenfalls [2] ..." und ich sagte , dass die Schönheit die Würze unserer Werke ist. Ich meine aber nicht die Schönheit des ultramarinen Blaus von sechzig Skudi pro Unze oder den schönen Lack, weil die Farben von sich aus , sogar in Schachteln , schön sind; und nicht lobenswert ist der Maler, der, um alle Figuren schön zu machen, ihnen rosige Wangen, blonde Haare und eine heitere Miene verleit, während der Erdboden mit frischem Grün bekleidet ist. Sondern die wahre Schönheit ist nichts anderes als Lieblichkeit oder Anmut , die aus einer bestimmten Anlage und richtigen Proportion der Dinge entsteht ..." Farben sind allerdings nicht nur zur beeindruckenden Darstellung des "Schönen" besonders geeignet, sondern üben auf den Betrachter- bereits allein aufgrund einer "gelungenen" Zusammenstellung eine überwältigende Wirkung auf die Stimmung des Betrachters aus. Fast ein wenig neidisch könnte man auf die Farbwirkung
größerer Flächen auf den Betrachter sein- im Vergleich
zu den Möglichkeiten der Medaillenkunst: Die Medaillenkunst muss- ähnlich wie die Grafik- auf die Abstimmung von Inhalt und Form setzen und hat es in dieser Hinsicht schwerer, einen Betrachter zu "begeistern"- wie weit das "haptische Erleben" der Medaille einen Ausgleich dafür bietet, möge der Leser selbst entscheiden. [1] Stefan Heidenreich: Was verspricht Kunst ?, Berliner
Taschenbuch Verlag, Januar 2009, ISBN 978-3-8333-0582-5 |