Kunststudium

Eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich des "Nutzens" eines Kunststudiums (der bildenden Kunst) stellt sich allerdings ein, wenn man feststellt, wie skeptisch sich in dieser Hinsicht auch Personen ausdrücken, die dies eigentlich beurteilen können sollten: Arrivierte Künstler und Personen, die mit der "akademischen Ausbildung" von Künstlern oder Kunsterziehern befasst sind oder waren. Selbstverständlich wird man hier kein Pauschalurteil fällen können- da hier immer die konkrete Situation und die konkreten Menschen in ihrer Beziehung zueinander von großer, wesentlicher Bedeutung für das Resultat einer künstlerischen Ausbildung sein werden.

Wir zitieren an dieser Stelle passend - nicht zuletzt um einer Auflockerung des Textes und um der Kurzweil des Lesers wegen- den Maler Gerhard Richter, der nach zwölf Jahren als Professor an der Akademie in Düsseldorf zu folgender Auffassung gelangte:

"Die schauerlichste Seite des künstlerischen Elends zeigen die so genannten Kunsthochschulen, die mit dem klangvollen Namen "Akademie" die gesamte Öffentlichkeit aufs Kreuz legen. (...) Wir haben mehr als ein Dutzend solcher "Hochschulen"in der Bundesrepublik, an denen die schlechtesten aller Künstler als Parasiten hausen und ihr Beisammensein zu einem System von Unzucht und Langweiligkeit aufblasen. Diese so genannten Künstler, die sich nicht das Salz in der Suppe verdienen könnten, werden dort zu Professoren ernannt, also mit Prestige, Geld und Ateliers ausgestattet; sie können dort nicht nur ihren Schwachsinn kultivieren und verbreiten und die Studenten damit besudeln, sie sind auch in der Lage, alles daranzusetzen, dass jeder Student und jeder neu zu berufende Kollege unter ihrem Tiefstniveau bleibt, damit sie selbst ungefährdet in ihrem trüben Mief bestehen bleiben zu können."[1]

Wir lesen in der gleichen Literaturstelle [1] :
"Ausbildung
Zur schwächsten aller alten Institutionen der Kunst ist die Akademie geworden . Seit sich die Moderne in ausdrücklicher Gegenschaft zum akademischen Malsystem durchsetzen konne, haben sich die Kunstschulen und ihre Aufgaben gewandelt. Die Reste eines akademischen Kanons sind längst verschwunden, und die Lehre hat sich dem Zeittakt angepasst, den die Moderne vorgibt. Da handwerkliche Fähigkeiten damit weitgehend unerheblich geworden sind, haben Akademien ihre frühere inhaltliche Aufgabe verloren. ... .Genügend erfolgreiche Künstler zeigen, dass zur Karriere eines Künstlers keine akademische Ausbildung erforderlich ist."

Natürlich sind heutzutage die Verhältnisse an den Kunsthochschulen völlig anders, .... - und sicherlich die Verhältnisse an Kunsthochschulen und in der Ausbildung für Relief- und Medaillenkunst nur bedingt miteinander vergleichbar.

Der "Ausweis" einer akademischen Ausbildung allein scheint allerdings- zumindest im oben erwähnten Bereich- für sich allein betrachtet, nicht besonders aussagekräftig zu sein.

Eine Erweiterung zumindest der handwerklichen Fähigkeiten, etwa bei der Darstellung und gezielten Verfremdung anatomischer Details, .... um die Möglichkeiten des eigenen Ausdrucks zu vergrößern, erscheint dem Webmaster dieser Seite jedoch als äußerst wünschenswert und insofern bedauert er offen an dieser Stelle, keine dementsprechende Ausbildung genossen zu haben. Weitere Inhalte eines Kunststudiums mögen zwar auch wichtig sein, wie eine Kenntnis verschiedener Stile und die Ermutigung, den eigenen Stil zu suchen, wir wollen uns hier jedoch auf ein Detail konzentrieren, das wir für ziemlich wichtig halten- auf die handwerkliche Exzellenz. Wir überschätzen sie jedoch für das Gelingen, für die "Qualität" eines Kunstwerks nicht- dafür gibt es unseres Erachtens wichtigere Anforderungen: Die handwerkliche Exzellenz vergrößert jedoch die Möglichkeit einer freien Auswahl der Mittel, eine dem Thema angemessene Abstimmung- oder auch gezielte Nichtabstimmung- von Inhalt und Form zu erreichen.

So haben nach hergekommener Ansicht i.a. "schöne" Formen eine glatte Oberfläche und so es ist sinnvoll, sich über verschiedene Verfahren der Oberflächenglättung zu informieren und deren Anwendung unter Anleitung auch praktisch einzuüben, um das eigene Repertoire und Darstellungsspektrum- im übertragenen Sinne also die zur Verfügung stehende Palette- zu erweitern. Da Schönheit in den letzten Jahrzehnten allerdings einen sehr zweifelhaften Ruf bekommen hat, ist es aber eigentlich gar nicht nötig, sich über solche Petitessen den Kopf zu zerbrechen. Einige Künstler "rotzen" auch ganz mit Absicht ihre Werke hin und sind durchaus erfolgreich.

Sicherlich ist jedoch eine handwerkliche "Grundausbildung" viel sinnvoller, als sich mühselig selbst ein bestimmtes Verfahren " ab ovo" auszudenken und dieses per "trial and error" zu optimieren. Als vor einigen Jahren der Autor dieser Seite einen recht renommierten Medaillenkünstler um einen Hinweis bat, wie man denn glatte, "weiche" Oberflächenteile erreichen könne, erhielt er als Antwort: "Jeder Künstler hat da sein eigenes Verfahren - das muss man selbst herausfinden." Sicherlich war dies für einen damaligen Anfänger eine ungeheuer "ermutigende" und "motivierende" Auskunft. Der Autor hat übrigens inzwischen eine ihn selbst einigermaßen zufriedenstellende Lösung des Problems gefunden... .

 

 

 

In der Medaillenkunst hat die besonders betrachterwirksame Gestaltungskomponente "Farbe" nur eine untergeordnete Bedeutung - deshalb ist die den eigenen Absichten entsprechende Abstimmung von "Inhalt" und "geometrischer Form" umso bedeutsamer- was die Gestaltung einer "gelungenen" Medaille (was auch immer das sein mag) umso schwieriger macht.

Eine kleine Ergänzung mag dies näher erläutern:

Man verzeihe uns die folgende - ziemlich ketzerische Anmerkung : In der bildenden Kunst ist es unter der Ausnutzung der spezifischen Wirkung von Farben auf den Menschen- möglichst großflächig auf das Werk aufgetragen- durchaus möglich, die Abstimmung zwischen Inhalt und Form fast völlig oder gar gänzlich zu vernachlässigen- der Betrachter ist trotzdem "überwältigt". Von einer "schön" farbigen Tapete wäre er es wohl allerdings auch. Die Bedeutung der Form tritt hier gegenüber der Farbe fast völlig zurück. Das (offensichtlich in vielen Fällen sehr aufregende) Innenleben des Künstlers und eine entsprechend stimmungsmäßige Anregung des Betrachters treten hingegen in den Vordergrund. Dem Entwerfenden von Medaillen und Kleinreliefs stehen solche Möglichkeiten aufgrund der sehr beschränkten Größe der zur Verfügung stehenden Fläche- in überzeugender Weise- nur sehr begrenzt zur Verfügung.

Wir zitieren zur besonderen Bedeutung der Farbe und zur bewussten Ausnutzung dieses Umstandes Benvenuti Cellini- der Leser mag für sich selbst entscheiden, ob und in wiefern dieser recht hat- immerhin ist Cellini schon lange tot, was sicherlich gegen ihn spricht :-) :

Benvenuto Cellini
Brief an Benedetto Varchi ( S.17f.; dt.Übersetzung, siehe Lit. [2], Seite 243)

"Nun sieht man aber heut zu Tage, dass Michelangelo der größte Maler ist, der je zu unserer Kenntnis gelangt ist, sowohl von den Alten als von den Neuen; und zwar einzig und allein, weil er alles, was er an Malereien macht, aus den durchdachtesten Skulptur- Modellen herleitet.... die anderen sehe ich in ein Farbenmeer untertauchen und in eine bunte Zusammenstellung verschiedener Farben, womit man Bauern täuscht."

Eine gewisse Skepsis gegenüber der Schönheit durch Farbe äußert auch Paolo Pino (16.Jahrhundert), ebenfalls [2]

..." und ich sagte , dass die Schönheit die Würze unserer Werke ist. Ich meine aber nicht die Schönheit des ultramarinen Blaus von sechzig Skudi pro Unze oder den schönen Lack, weil die Farben von sich aus , sogar in Schachteln , schön sind; und nicht lobenswert ist der Maler, der, um alle Figuren schön zu machen, ihnen rosige Wangen, blonde Haare und eine heitere Miene verleit, während der Erdboden mit frischem Grün bekleidet ist. Sondern die wahre Schönheit ist nichts anderes als Lieblichkeit oder Anmut , die aus einer bestimmten Anlage und richtigen Proportion der Dinge entsteht ..."

Farben sind allerdings nicht nur zur beeindruckenden Darstellung des "Schönen" besonders geeignet, sondern üben auf den Betrachter- bereits allein aufgrund einer "gelungenen" Zusammenstellung eine überwältigende Wirkung auf die Stimmung des Betrachters aus.

Fast ein wenig neidisch könnte man auf die Farbwirkung größerer Flächen auf den Betrachter sein- im Vergleich zu den Möglichkeiten der Medaillenkunst:
"Formale Gestaltungsmittel dienten Rothko lediglich als Mittel, um die Erfahrung einer transzendenten Wirklichkeit zu vermitteln. Für ihn hatten farbliche Ausdehnungen, also Farbflächen , mystische Kraft, die sie auf den Betrachter übertrugen." Entnommen wurde dieses Zitat aus [3].

Die Medaillenkunst muss- ähnlich wie die Grafik- auf die Abstimmung von Inhalt und Form setzen und hat es in dieser Hinsicht schwerer, einen Betrachter zu "begeistern"- wie weit das "haptische Erleben" der Medaille einen Ausgleich dafür bietet, möge der Leser selbst entscheiden.

[1] Stefan Heidenreich: Was verspricht Kunst ?, Berliner Taschenbuch Verlag, Januar 2009, ISBN 978-3-8333-0582-5
[2]
Michael Jäger: Die Theorie des Schönen in der italienischen Renaissance, DuMont Buchverlag Köln, 1990, ISBN 3-7701-1739-5
[3] Jacob Beel-Teshuva: Rothko, Taschen Verlag, 2006, ISBN 978-3-8228-1818-3

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