NEUE SCHÖPFUNGEN: MENSCHEN MIT VIRTUELLEN
FREUNDEN, VIRTUELLEM SEX, VIRTUELLER LIEBE, VIRTUELL....
New creations: The humans (- with an additional virtual life)
Der "neue" Mensch- umfassend vernetzt
DIESE PLAKETTE WURDE INNERHALB DES MEDAILLENPROJEKTES 2013 DES MEDALLIC SCULPTURE STUDIO SOFIA, BULGARIEN, ENTWORFEN- EIN PROJEKT VON PROF. B. NIKOLOV FÜR STUDIERENDE, LEHRENDE UND GASTKÜNSTLER (www.artmedal.net)
Das usprüngliche, vorgegebene Thema hieß: New creations- The humans
Begleittext zur Plakette: Wie glücklich
bin ich doch; 746 Freunde im sozialen Netzwerk und richtig guten Sex mit einer
wunderschönen Frau, einer richtigen Traumfrau! Und außerdem weiß
ich, was meine vielen Freunde lieben und ich mir unbedingt noch kaufen sollte!
Das wird dann auch den Betreiber des Netzwerkes und dessen Kunden sehr erfreuen-
damit mache ich sogar noch etwas wirklich Gutes! Und wenn ich mal "so richtig
die Sau rauslassen" will, kann ich auch meine Mitmenschen anonym mobben-
sogar bis zum Selbstmord! Was für Möglichkeiten - welch ein Fortschritt!
Durch die Informationstechnologie wurde das
soziale Verhalten des Menschen stark verändert: Freundschaft erstreckt
sich nicht nur auf die Beziehung zu einigen wenigen Menschen- nein, jetzt ist
es möglich hunderte oder tausende von Freunden in sozialen Netzwerken wie
z.B. "facebook" zu haben. Damit erhält der Begriff Freundschaft
einen ganz neuen und anderen Inhalt. Auch Begriffe ( Wissenschaft? Kunst?...
) können also einer Inflation unterworfen sein?
Ein Witz mag den psychischen "Gewinn" durch soziale Netzwerke anschaulich
machen- wir können ihn jedoch leider nur sinngemäß wiedergeben-
da unser Gedächtnis, ganz besonders bei Witzen, so sehr begrenzt ist: "Mama",
sagt der jugendliche Allen, "ist das nicht wunderbar, dass es facebook
gibt! Was würde es mich sonst für Zeit kosten, wenn ich meinen 746
Freunden mit dem handy (smart phone) einzeln mitteilen müsste, was ich
zum Frühstück gegessen habe."
Wir zitieren zum Thema aus dem Vorwort zu Erich Fromm: Authentisch leben, Herausgeber
Rainer Funke, Herder, 2006, ISBN-13: 978-3-451-05691-8.
"Authentisch sein: wissen, was die eigene Person ausmacht, sich nicht von
außen leiten lassen. Und erkennen, wo die Qualitäten in anderen Menschen
liegen und in unserer Umgebung. Je mehr unsere Welt von virtuellen Wirklichkeiten
bestimmt wird, desto mehr sehnen wir uns nach dem, was authentisch ist. Erich
Fromm hat schon lange vor den "virtuellen Welten" erkannt, was Menschen
verlieren, wenn sie sich in den vielen inszenierten Wirklichkeiten verlieren,
sie eintauschen gegen das, was ihnen eigentlich angemessen ist und entspricht.
Die seelischen Folgen: Langeweile, Depressivität und Flucht in Scheinwirklichkeiten.
In seinen eindrucksvollen Texten wird deutlich, wie es gelingt, an die eigenen
Kräfte zu kommen. Wenn wir uns auf das konzentrieren, was unsere Wirklichkeit
ausmacht, können wir auch die eigenen Möglichkeiten, die in uns stecken,
realisieren. An die Stelle der Langeweile, der Zerstreuung und Depressivität
kann Freude treten. Denn: "Freude ist das Ergebnis intensiven Lebens"
(Erich Fromm).
In diesem Zusammenhang liegt es jedoch nahe, auch auf
eine Argumentation des Philosophen Robert Pfaller zu verweisen:
"Die erste Welt ist die unseres wirklichen
Lebens mit allen Mühen, Frustrationen und Kompromissen. Die zweite Welt
ist die der Träume, Wünsche und Illusionen. In seinem neuen Buch entfaltet
Robert Pfaller die ganze komplizierte Dialektik von Realität und Wunsch
und zeigt den Stellenwert zweiter Welten: Weil wir keine Phantasie mehr haben,
aus der wir erleichtert ins Leben flüchten können, gerät uns
das Leben selbst zu einem auswegslosen Albtraum."
(Robert Pfaller: Zweite Welten Und andere Lebenselixiere, Seite 21, S. Fischer, 2012, ISBN 978-3-10-059034-3)
Ähnlich wie Robert Pfaller argumentiert auch
Heiko Ernst (Innenwelten. Warum Tagträume uns kreativer, mutiger und gelassener
machen, Klett-Cotta, 2011; auch Heiko Ernst: Das Recht auf Rückzug, Psychologie
heute compact, 2013, Heft 33, Seite 91):
"Das Recht auf Rückzug
...
In der selbstgewählten Distanz zur Realität liegt ein Quell der Stärke-
für unsere Kritik- und Widerstandsfähigkeit, für unsere Freiheit.
In unseren Fantasien können wir Furcht und Hoffnung in Balance bringen,
um der Zukunft zu begegnen.
...
Tagträume sind also weit mehr als ein beiläufiges Bewusstseinsphänomen.
Sie spielen in unserem Seelenhaushalt eine tragende Rolle. Wir können sie
auch als eine Art von Vermittlungsausschuss der Psyche ansehen, der für
unterschiedliche Motive und oft widersprüchliche seelische Bedürfnisse
Kompromisse sucht.
Die Fähigkeit, sich zeitweise in die Innenwelt der Tagträume, der
Fantasien und Imaginationen zurückzuziehen zu können, bringt uns mit
wichtigen Ressourcen unseres Selbst in Verbindung: Wir nehmen Kontakt zu unseren
tiefsten Gefühlen, stärksten Wünschen und geheimsten Gedanken
auf. Wir können Ideen und Einfälle sortieren, Erfahrungen einordnen
und Verluste und Verletzungen verarbeiten. Und wir erproben in dieser Innenwelt
der Vorstellungen notwendige oder gewünschte Veränderungen der Welt
"da draußen". "
Bei Pfaller und Ernst werden die virtuellen Welten- der Tagträume, Illusionen- als geradezu notwendig für das psychische Wohlergehen und die psychische Gesundheit angesehen. Was ist denn nun der Unterschied zu "unserer Welt von virtuellen Wirklichkeiten" von Erich Fromm? Der Unterschied scheint uns in der Beziehung dieser virtuellen Welten zur Realität zu liegen. Die virtuellen Welten im Sinne von Pfaller und Ernst machen uns "tauglicher" für die reale Welt, lassen uns besser in ihr "bestehen". Die virtuellen Welten im Sinne von Fromm, in denen wir vorgeben, ein anderer zu sein- bewusst oder unbewusst- haben eher den Charakter eines Escapismus. Im Internet geben wir vor, ein ganz anderer zu sein- im "Second Life" können wir uns mit unseren Wunscheigenschaften ausstatten- wir können dort ein Superheld sein- und im Alltag können wir vor uns und anderen eine Rolle spielen und eine Maske uns aufsetzen.
Eine bemerkenswerte Möglichkeit in eine virtuelle Welt "abzutauchen" bietet die Parallelwelt des auf Servern betriebenen Spieles "Second Life", das im Jahr 2003 online geschaltet wurde. Hier können Menschen interagieren, spielen, Handel betreiben, sich ihre eigene kleine Welt einrichten, in der sie durch "Avatare" vertreten werden. Diese können mit sehr individuellen Eigenschaften ausgestattet werden.
Unternehmen können gegründet werden, die untereinander oder mit Einzelpersonen, den Avataren, virtuelle Waren handeln oder Dienstleistungen anbieten können. Es können Gruppen gebildet werden, Wertschätzung und Missbilligung gegenüber anderen können ausgedrückt werden. Die Spieler können sich richtig "ausleben" und nicht wenige Aktionen durchführen, die ihnen im realen Leben einige Probleme bereiten könnten.
Diese virtuelle 3D-Welt wird auch von vielen Künstlern genutzt. Es ginge hier zu weit, alle Aspekte dieser virtuellen Welt mit ihren vielfältigen Aktionsmöglichkeiten- auch Gewalt und Sex- aufzuzählen. Der Interessierte kann sich darüber an anderer Stelle informieren.
Als Verwandte der realen Welt ist auch die virtuelle Welt von Kriminalität nicht verschont geblieben- wobei durchaus die Möglichkeit besteht, dass Handlungen in der virtuellen Welt als kriminell in der realen Welt bewertet werden und dort auch zu Konsequenzen führen können.
Welche Verhältnis hat der Leser zu solchen virtuellen
Welten? Wie beeinflussen sie ihn? Halten sie ihn vom realen Leben in irgendeiner
Weise ab? Oder sind sie ein Zufluchtsort in der bösen, grausamen und ungerechten
Welt, in der man meint, das kürzere Ende gezogen zu haben? Wenn schon keinen
richtigen Freund, dann wenigstens 287 virtuelle Freunde? Wenn schon keine richtige
Freundin oder Geliebte, dann wenigstens 7 virtuelle? Wenn man sich nicht traut,
seine Aggressionen real auszuleben, dann wenigstens virtuell? Lebt man sie wirklich
aus, oder fallen durch das agressive Agieren in der virtuellen Welt auch Hemmungen
in der realen Welt ? .... Wir haben durchaus unsere eigene Auffassungen dazu,
die des Lesers und Betrachters mögen durchaus aber davon abweichen: Auch
die Psychologen und Philosophen sind sich wohl bei den Antworten nicht einig.
Eine spezielle Art der virtuellen Welt ist der Cyber-Sex. Auch hier ist es durchaus bedenkenswert, welche Folgen ein (exzessiver?) Konsum auf das eigene Verhalten und die "Wertmaßstäbe" hat. Wird der Betreffende tendenziell anspruchsvoller gegenüber realen Partnern- anders ausgedrückt: unzufrieden?
"Mediennutzung Junge Leute hocken passiv auf der
Couch
... Junge Menschen in Deutschland verbringen immer mehr Zeit
vor dem Rechner.
Mindestens drei Stunden täglich vor dem Fernseher und weitere drei Stunden
vor Computer, Tablet und Handy.
...
Statt sich nach meist sitzender Tätigkeit in
der Schule, im Studium oder bei der Arbeit in der Freizeit zu bewegen, hocken
junge Leute passiv auf der Couch vor einem elektronischen Gerät.
Die meisten lassen sich unterhalten oder berieseln, ruhen sich aus oder
pflegen ihre Kontakte am Telefon und online, ... Insbesondere jüngere
Befragte nutzen Computer und Internet demnach um ein Vielfaches häufiger
als ältere.
Dass diese Art von Beschäftigung nicht zur Entspannung beiträgt, zeigt
nun die neue Studie: Denn fast zwei Drittel der 18- bis 34-Jährigen fühlen
sich nach eigenen Angaben tagsüber häufig müde und schlapp. Dass
ihnen mehr Bewegung gut täte, räumen die Befragten selbst ein. Drei
von vier würden gerne mehr Sport treiben und insgesamt mehr für ihre
Gesundheit tun, sagen jedoch, dass im Alltag für solche Aktivitäten
zu wenig Zeit bleibt."
Die letzte Aussage kommt uns ziemlich merkwürdig vor,
wenn man damit die mittlere Verweildauer vor dem Fernseher und Computer sowie
mit Tablet und Handy von ingesamt 6 Stunden in Verbindung bringt. Die Bewertung
der geschilderten Situation überlassen wir gerne dem Leser- findet er sich
im Untersuchungsergebnis selbst wieder?
Schon vor längerer Zeit, als es noch keine digitalen
virtuellen Welten gab, formulierte man das Problem, das der Mensch mit "virtuellen"
Welten hat, durch die folgende Frage: Wenn Sie die Wahl hätten, ein reales
Leben mit all seinen Glücksmöglichkeiten, aber auch mit seinen Widrigkeiten,
Krankheiten und Misserfolgen zu führen oder durch Einnahme einer "ungefährlichen"
Droge ein glückseliges, all ihren Wunschphantasien entsprechendes Leben
mit vielen Freunden, Sex, beliebig viel Geld und ohne jedes Unwohlsein zu führen-
in der Realität würden Sie allerdings in einem Bett wohlversorgt mit
der Droge bis an das Ende Ihrer Tage leben- für welche Existenzform würden
Sie sich entscheiden? Eine nicht ganz leicht zu beantwortende Frage- oder doch?
Vielleicht führt diese Frage den Leser zur Einsicht, dass sein nicht ganz
so schönes Leben doch die von ihm bevorzugte Variante ist?