VOM KRIEG ZUM FRIEDEN


WAR - PEACE
(FROM WAR TO PEACE BY CHRISTMASTREES)

Der vollständige Titel des Reliefs heißt :
VOM KRIEG ZUM FRIEDEN

"Auch der Tod hat nun seine Säer" (Gabriele d'Annunzio , Iralienischer Dichter)


FROM WAR TO PEACEDAS RELIEF IST ALLEN UNSCHULDIGEN ZIVILEN KRIEGSOPFERN GEWIDMET, DEREN TOD IN KEINER WEISE ZUM AUSGANG VON KRIEGEN BEIGETRAGEN HAT



Das Relief ist im Rahmen eines Projektes des MSSS (Medaillic Sculpture Studio Sofia) der Kunsthochschule Sofia unter Leitung von Prof. Bogomil Nikolov im Jahr 2011 entstanden.

THIS MEDAL (PLAQUE) HAS BEEN DESIGNED WITHIN THE MEDAL PROJECT 2011 OF THE MEDALLIC SCULPTURE STUDIO SOFIA, BULGARIA - A PROJECT OF PROF. B.NIKOLOV FOR STUDENTS, TEACHERS AND GUEST ARTISTS (WWW.ARTGALLERY-ONLINE.NET)



Das Relief bezieht sich im konkreten Fall auf alle zivilen - unschuldigen- Opfer von Kriegen , von denen wir als Beispiel die Bombenopfer der folgenden Städte im Zweiten Weltkrieg nennen:
Posen, Warschau, Rotterdam, Coventry, London, ....., Lübeck, Köln, Hamburg, ...., Berlin, Dresden, ... Tokio, .... , Potsdam (15.4.45). Wir schließen dabei auch die Toten von Hiroshima und Nagasaki ein- auch wenn diese "zivilen" Opfer offensichtlich zur "Verkürzung" des 2.Weltkrieges geführt haben. Wir schließen letztlich die unschuldigen "zivilen" Opfer aller Kriege an allen Orten zu allen Zeiten ein.

"Wir mussten diese Stadt zerstören, um sie zu retten" ( Satz eines Majors im Vietnam-Krieg, entnommen Stephan Bierling: My Lai war kein Einzelfall, WELT, 8.Dezember 2007)

 

EINIGE ANMERKUNGEN

Die hier vorgenommene Behandling des "vorgegebenen" Themas "Krieg - Frieden" ist nicht unproblematisch ( um es ganz vorsichtig auszudrücken) - dessen ist sich der Reliefschaffende durchaus bewusst gewesen. Bei einigen Betrachtern erwarten wir die durchaus üblichen reflexartigen Reaktionen - insbesondere die der Politschen Korrektheit. Noch immer muss man sich bei der Behandlung eines solchen Themas nur allzu schnell mit dem Vorwurf der "Relativierung" oder "Aufrechnung" von Opfern konfrontiert sehen - wobei wir allerdings diesen möglichen Vorwurf mit Nachdruck zurückgeben würden. Wir räumen natürlich ein, dass es einige "äußerst unerfreuliche" Zeitgenossen gibt, die dieses Thema auch parteipolitisch ausschlachten . Zur Wahrheit gehört allerdings die Vollständigkeit - wobei das das Thema der abgebildeten Plakette ist : Krieg und Frieden . Vielleicht gibt das Relief einigen Betrachtern die Anregung, sich mit dem Dargestellten etwas differenzierter zu beschäftigen , sich einige Fragen dazu selbst zu stellen und sich um eine eigenständige - nicht vorfabrizierte- Antwort zu bemühen. Diese kann sicherlich durchaus unterschiedlich ausfallen.

Wir wollen deshalb dem folgenden Text in aller gebotenen Bescheidenheit ein Zitat von Lessing voranstellen:
"Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgendein Mensch ist oder zu sein vermeinet, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen. Denn nicht durch den Besitz, sondern durch die Nachforschung der Wahrheit erweitern sich seine Kräfte, worin allein seine immer wachsende Vollkommenheit bestehet. Der Besitz macht ruhig, träge, stolz.- Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit und in seiner Linken den einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit , obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren , verschlossen hielte und spräche zu mir : "Wähle !"- ich fiele ihm mit Demeut in seine Linke und sagte :"Vater, gib! Die reine Wahrheit ist ja doch nur für Dich allein!"

Einige Fragen, die wir uns selbst im Zusammenhang mit der Erstellung des Reliefs, aber auch bereits schon davor gestellt haben- ohne sicherlich eine für jeden Betrachter gültige Antwort gefunden zu haben, führen wir zur Einstimmung in das Thema auf :

Ist Schuld immer individuell ?
Gibt es so etwas wie die "Erbsünde" auch im weltlichen Bereich ?
Gibt es eine Kollektivschuld ?
Gibt es "Unschuldige" auch in einem "Tätervolk" ?
Ist das "Leiden" der Unschuldigen in einem "Tätervolk"- sofern es sie denn gibt- von minderer "Bedeutung" , das eben zur Not einfach hingenommen werden muss ?
....
..... ?

Wie weit sind die "Guten" im Namen von Freiheit, Demokratie, Menschenrechten (allgemein im Namen des "Guten") moralisch berechtigt bei der Bekämpfung der "Bösen" zu gehen ? Eine Frage, die sich spätestens seit den Glaubenskriegen des Mittelalters ( Kreuzzüge, Krieg gegen die Katharer, Dreißigjähriger Krieg,... )stellt.
Wie hat sich die Religion der Liebe, das Christentum, auf den Umgang mit den politischen und "religiösen" Feinden ausgewirkt ?
Inwieweit sind die Christen überhaupt glaubwürdig , wenn sie die Aggression und die agressive Einstellung von Angehölrigen eines anderen Glaubens anklagen ?

Wie weit ist die Bemerkung von Mahatma Ghandi in Bezug auf Dresden und Hiroshima zutreffend ?

................

Die Fragen, die man sich auf einer grundlegenderen , tieferen Ebene stellen kann, betreffen die Auswirkungwen der Zivilisation , der Kultur auf das humane Verhalten von Menschen.

Wie dick ist eigentlich die Kruste , die Schale der Zivilisation , die unsere "archaischen" Verhaltensweisen verdeckt ?
Interessante Hinweise darauf gibt das Werk von Hans Peter Duerr: Der Mythos vom Zivilisationsprozess, Band 3: Obszönität und Gewalt, Seite 228, Suhrkamp Verlag, Erste Auflage 1993 . Daraus sei nur ein kurzer Abschnitt zitiert, der sich auf das Thema des oben dargestelle Reliefs bezieht:
Wir benutzen absichtlich fast diesselbe Schriftfarbe für das Zitat wie für den Hintergrund - es lässt sich also nur mit einer gewissen eigenen Anstrengung zur Kenntnis nehmen- und warnen den sensiblen und moralisch empfindsamen Beobachter vor dem Lesen oder Sichtbarmachen des Textes - falls er schockiert sein sollte, wir haben ihn gewarnt:

"Bereits im ersten Weltkrieg hatten Jagdflieger berichtet, daß sie eine Erektion bekamen, wenn sie im Sturzflug angriffen, was auch zahlreiche Vietnam-Piloten bestätigten, von denen einer voller Begeisterung sagte:"When you're in the airplane, and you fire a rocket, and you hear that shoosh leave your wing: then all of a sudden it hits. POW. It's like an orgasm. " Bomberbesatzungen aus dem Zweiten Weltkrieg meinten sogar, die Ejakulationen, die sie beim Ausklinken der Bomben über den deutschen Städten gehabt haben, seien "besser" gewesen als die auf einer Frau."

Wozu Menschen im Krieg fähig sind, das beschreibt auch das Buch : Sönke Neitzel, Harald Welzer: Soldaten, Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben", S. Fischer Verlag, 2011.

Das oben abgebildete Relief könnte auch eine mögliche Anregung für den Betrachter sein, sich zu fragen, wie weit er selbst in entsprechenden Exremsituationen zu gehen bereit wäre. Das allerdings würde erst wohl zuverlässig in realen "Versuchungs-" und "Versagungssituationen" mit Sicherheit zu erfahren sein . Dafür trägt dann jeder für sich selbst die Verantwortung - aus der er sich auch nicht durch Berufung auf andere , auf "Authoritäten" und auf "Gruppenzwang" herausreden kann ??? Die anderen tun's ja auch - kann das wirklich eine Entschuldigung sein ?

 

Eine kleine historische Ergänzung im Zusammenhang mit dem "moral bombing":

Es wurde früher nicht selten gefragt , wieso die Unterstützung von Hitler durch eine große Mehrheit des Deutschen Volkes so lange im Krieg angehalten hat.

Nun, der Fragende sollte sich wohl selber eine Antwort auf die folgenden drei Fragen geben:

1. Wie hat gerade das "moral bombing" mit gezielten , großflächigen Angriffen auf die Wohnviertel von Städten ( mit sorgfältig "wissenschaftlich" optimierter Wirkung - u.a. mit der Fragestellung, wie man Feuerstürme gezielt auslösen kann ) psychologisch auf die Bevölkerung gewirkt ?

SPIEGEL ONLINE ( 2003: Interview mit dem Berliner Historiker Jörg Friedrich :
Von guten Massakern und bösen Massakern)
:
" Ist das "moral bombing", wie die Briten ihre Angriffe nannten, Kardinalalibi für alle Zeiten und alle Völker?

Friedrich: Inzwischen sind sämtliche Luftstreitkräfte von der Idee des "moral bombing" abgerückt, weil es nie funktioniert hat. "Moral bombing" bedeutet ja nur in zweiter Instanz ein moralisch motiviertes Bombardieren und in erster Linie einen Angriff auf die Moral, auf den Durchhaltewillen der Menschen. Die Vorstellung, man könne eine städtische Bevölkerung durch extreme Qualen in eine Revolution hineinbombardieren, ist längst widerlegt. Deshalb sind die Formen der Bombardements in den jüngeren Auseinandersetzungen wie dem ersten Golfkrieg, dem Krieg in Jugoslawien, Afghanistan oder möglicherweise dem Irak auf gänzlich anderen strategischen Überlegungen aufgebaut. Es gibt keinen Vorsatz mehr, die Zivilbevölkerung auszulöschen."

DER SPIEGEL: Nr.2/6.1.03: "So muss die Hölle aussehen"

"Die Bombardierten reagierten nicht mit Rebellion, sondern mit Abstumpfung. "Wenn man Menschen in die Steinzeit zurückbombt", schreibt der Augenzeuge Forte, " denken sie nicht an Aufstände, sondern nur ans pure Überleben.". Propagandistisch angeheizter Hass auf die aliierten "Mörderbanden" und "Terrorflieger" und deren angeblich jüdische Hintermänner überlagerte lange Zeit die Wut und die Enttäuschung über die Nazi-Führung, die nicht eimal für eine ausreichende Zahl sicherer Luftschutzbunker gesorgt hatte."

" "Wir waren wütend ", erinnert sich Forte, "wenn wir nach den Luftangriffen aus den Kellern der verwüsteten Straßen stiegen und sahen, dass die Fabriken, in denen Panzer und Geschütze gebaut wurden, unversehrt geblieben waren. Sie blieben es bis zum Schluss, und die Maschinen wurden nach Kriegsende demontiert."

In Zusammenhang mit dieser wohl eher solidarisierenden Wirkung zwischen den Deutschen und dem Nazi-Regime durch das "moral bombing" stehen noch zwei andere Umstände, die ebenfalls hinterfragenswert sind:

2. Wie hat wohl die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation seit der Konferenz von Casablanca auf den Deutschen Widerstand gewirkt ? Ob das auch Erinnerungen an das Ende des Ersten Weltkrieges mit den Begleitumständen und den Folgen des Versailler Vertrages hervorgerufen haben mag ?

Zitat aus Wikipedia , Konferenz von Casablanca , 2011: "Nach zehntägiger Beratung teilten die Westalliierten der Presse erstmals die offiziellen Kriegsziele mit: Bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches, Italiens und Japans. Zudem beschlossen die Westalliierten die Verstärkung der Luftangriffe auf deutsche Städte. Fortan flogen die Briten nachts und die US-amerikanischen Bomber tagsüber. Die Forderung der Bedingungslosen Kapitulation von Deutschland bedeutete unter anderem, dass dieses sich nicht auf die in der Atlantik-Charta festgelegten Prinzipien berufen konnte. Dem deutschen Widerstand wurde die Arbeit erschwert, da die Alliierten nicht bereit waren, von der Forderung nach bedingungsloser Kapitulation abzuweichen."

3. Wie weit hat wohl das Bekanntwerden des Morgenthauplanes , zusammen mit der Forderung nach Bedingungsloser Kapitulation und den Erfahrungen mit dem Zustandekommen des Versailler Vertrages und seinen Bedingungen den "Durchhaltewillen" des Deutschen Volkes in den letzten Monaten des Krieges bestärkt ?

Zitat aus der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung (2011:Informationen zur politischen Bildung - aktuell):

Morgenthau-Plan

"Morgenthau, mit dem US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt befreundet und seit 1934 Finanzminister, schien Erfolg zu haben, als bei der britisch-amerikanischen Konferenz in Quebec am 15. September 1944 der britische Premierminister Winston Churchill und Präsident Roosevelt eine (schon abgemilderte) Version des Morgenthau-Plans billigend zur Kenntnis nahmen. Cordell Hull, der amerikanische Außenminister, protestierte ebenso wie sein britischer Kollege Anthony Eden aber bereits am folgenden Tag gegen den Plan, und der amerikanische Kriegsminister Henry Lewis Stimson nannte das Programm "ein Verbrechen gegen die Zivilisation". Als der "Morgenthau-Plan" durch eine gezielte Indiskretion am 21. September 1944 in die Öffentlichkeit kam, war die Reaktion so negativ, dass auch Präsident Roosevelt sich distanzierte. Der Morgenthau-Plan verschwand bereits Ende September 1944 in der Versenkung, ohne von den zuständigen Gremien jemals formell diskutiert worden zu sein.

Für die spätere Besatzungs- und Deutschlandpolitik blieb der Morgenthau-Plan ohne jede Bedeutung. Aber Goebbels und Hitler hatten den "jüdischen Mordplan" zur "Versklavung Deutschlands" mit so großem Erfolg für ihre Durchhaltepropaganda benutzt, dass bei vielen der Glaube entstand, das Programm habe ernsthaft zur Debatte gestanden. In der rechtsextremen Publizistik spielt der Morgenthau-Plan diese Rolle bis zum heutigen Tag."

 

Nun, auch ohne die Hinweise, dass das "Programm niemals ernsthaft zur Debatte gestanden hat" sowie auf die "rechtsextreme" Publizistik dürfte der Morgenthauplan eine durchaus äußerst problematische Rolle hinsichtlich des "Durchhaltewillens" in den letzten Kriegsmonaten gespielt haben.

Eine persönliche Bemerkung erlaubt sich der Autor dieser Webseite hier: Gott sei Dank , dass weitere Programme ebenfalls niemals "ernsthaft zur Debatte" gestanden haben , sonst würde es diese Webseite nämlich nicht geben: Seine - mit dem Autor- schwangere Mutter lebte 1944 bis zum Kriegsende in der Mitte Berlins.

Wir zitieren aus dem SPIEGEL Nr.2/6.1.2003 , Seite 47,48:
"Im August 1944 unterbreitete Churchill dem US-Präsidenten einen Plan für eine "Operation Thunderclap"(Donnerschlag) , bei der 220 000 Berliner bei einem einzigen Großangriff von 2000 Bombern verwundet oder getötet werden sollten. Roosevelt stimmte grundsätzlich zu; seine Meinung über die deutsche Zivilbevölkerung pflegte er nicht zu verhehlen:"Wir müssen hart mit Deutschland umgehen, und ich meine die Deutschen, nicht nur die Nazis. Entweder müssen wir das deutsche Volk kastrieren oder ihm so eine Behandlung verpassen, dass es nicht weiter Nachwuchs zeugen kann, der dann immer so weitermachen will wie in der Vergangenheit. "



Es stellt sich für den an Geschichte Interessierten naheliegend beim "Betrachten" von Kriegen die Frage, wie es zu bewerten ist, wenn bei der Bekämpfung des Bösen und Verbrecherischen die "Guten" , die im Namen von "Freiheit, Menschenrechten, Menschenwürde und Menschenrechten" angetreten sind, außerhalb von militärischen Notwendigkeiten mit extremer Grausamkeit in großer Zahl unschuldige Zivikisten verstümmeln und töten. Nähern sich nicht die "Guten" fast zwangsläufig in ihrer brutalen Vorgehensweise und in ihren Methoden den "Bösen" an - Rache und Kollektivschuld sind offiziell verpönt - aber wie sieht die Wirklichkeit aus ? Eine Frage, die man sich nicht nur im Umfeld des 2. Weltkrieges stellen kann.


Noch zwei allgemeine Bemerkungen am Ende dieser kleinen Erläuterung:

1. Vor einigen Jahren hat der Berliner Historiker Jörg Friedrich ein Buch über den Bombenkrieg der Allierten geschrieben. Die Reaktionen darauf waren äußerst heftig. Wir wissen also, dass dieses Thema ziemlich problematisch und seine Behandlung leicht missinterpretiert werden kann - zusammen vermengt mit vielen Unterstellungen : wie Relativierung , Aufrechnung von Opfern , etc. , etc.

Zitat aus dem SPIEGELl 49/2002, Seite 156:
"In der konservativen "Daily Mail" schäumte der Historiker Corelli Barnett, Friedrich habe sich dem "Haufen gefährlicher Revisionisten" angeschlossen und versuche , eine "moralische Gleichwertigkeit zwischen Churchills Unterstützung für die Flächenbombardements und den unsäglichen Verbrechen" der Nazis zu konstruieren. Das sei "niederträchtiger und gefährlicher Unsinn".

2. Interview des Nachrichtenmagazins "DER SPIEGEL" ( 2/2003 , Seite 52) mit dem Historiker Prof. Wehler über die "Bombenkriegsdebatte":

"SPIEGEL: Mündet es demnach doch immer wieder in Aufrechnung ?

Wehler : Warum sollte es ? Nur glaube ich, dass Völker mit diesen Kriegserfahrungen solche Phänomene wie Massenflucht, Vertreibung, Vergewaltigung, Bombenkrieg nicht beliebig lange verdrängen können.

SPIEGEL: Also eine reinigende Debatte ?

Wehler : Wenn das Thema nicht ausgebeutet wird, wenn alles in Trauer wahrgenommen wird, dann ja. Das wäre die beste Lösung.

SPIEGEL: Und die schlechteste ?

Wehler : Ein Opferkult, der das deutsche Volk als stigmatisiert darstellt.

 

 

Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer.

Aischylos (525-456), griech. Dichter, Schöpfer d. griech. Tragödie


Es gibt Momente, da ist man als Leser von Beschreibungen geschichtlicher Begebenheiten - hier Kriegen- ziemlich ratlos. Ein Bespiel: Der Autor hat sich sehr gewundert und war ziemlich fassungslos über das äußerst brutale Verhalten der Deutschen Soldaten bei der Besetzung Belgiens im 1. Weltkrieg. Dieses Verhalten hat sehr zur Verhärtung der Feindseligkeiten geführt und ist auch intensiv angeprangert worden..

Wir zitieren ergänzend hierzu aus einer uns erst jüngst bekannt gewordenen Quelle (Thomas Weber: Hitlers erster Krieg. Der Gefreite Hitler im Weltkrieg - Mythos und Wahrheit . Propyläen, Berlin und DIE WELT AM SONNTAG, 7.MAI 2011, BEILAGE LITERARISCHE WELT , Seite 7 : Erstunken und erlogen, Thomas Webers spannende Studie über Hitlers Rolle im Ersten Weltkrieg fegt die Mythen um seine Person beiseite , Autorin Cora Stephan :

"Und die Kriegsgräuel" beim Durchmarsch durch das neutrale Belgien ? Weber macht plausibel, dass nicht deutsche Zerstörungswut, Mordlust und Hass regierten, sondern Angst, die zu einem tragischen Missverständnis führte. Die deutschen Truppen fürchteten sich, in Erinnerung an 1870/71 , vor "franc tireurs", vor Scharfschützen aus dem Hinterhalt, vor als Zivilisten getaenten Partisanen. Die Belgische Bürgergarde, reguläre Kombattanten, trugen keine als solche erkennbaren Uniformen- die Deutschen hielten sie deshalb für Freuschärler. "

Wir wollen dies hier weder kommentieren noch bewerten- nur halten wir dieses Detail für die Bewertung der Gesamtsituation für durchaus nicht als unwichtig - die Wahrheit ist nur dann "wahr" , wenn sie "vollständig" ist. Wir wundern uns allerdings, dass der geschilderte Umstand in den bis jetzt uns bekannten Darstellungen über den 1.Weltkrieg keine Erwähnung gefunden hat.

Übrigens - Kriege werden auch zum Teil auf "Unwahrheit" aufgebaut - die Wahrheit kann also durchaus schon vor Kriegsbeginn sterben. Es ist also noch schlimmer, als Aischylos meinte.

Eine kleine historische Reminiszens zum Bombenkrieg ( entnommen der WELT AM SONNTAG, Nr.23, 5.6.2001, Zeitungsteil Zeitsprung von Alan Posener : Als die ersten Bomben fielen - Im Jahr 1911 erfanden die Italiener den Luftschlag. Es ging um Beduinenzelte in Libyen. Genau dort greift heute die Nato Gaddafis Stellugen an )

" Ob Gavotti bei seiner Attacke - einer reinen Terrormaßnahme - überhaupt Menschen getötet hat, ist nie geklärt worden. Die Osmanen verbreiteten das unzutreffende Gerücht, er habe ein Krankenhaus angegriffen: Die Kunst der Propaganda har seitdem weniger hinzugelernt als die Technik des Luftkriegs. Der junge Offizier hat sich aber auch nie Gedanken über seine Opfer gemacht. Wie so oft in der Geschichte der Kriegsführung war er von der Neuerung um ihrer selbst willen begeistert. "Heute habe ich mich zum Versuch entschlossen, Bomben aus dem Flugzeug abzuwerfen", schrieb er. "Es ist das erste Mal, dass wir so etwas versuchen , und wenn es gelingt, werde ich mich freuen, der erste zu sein." Es werde "interessant" sein, die Bomben "an den Türken auszuprobieren."Nach dem Einsart war der Pilot "mit dem Ergebnis sehrzufrieden."

...

Der Angriff selbst war damals bereits Thema fürv die italienische Presse."Leutnant Gavotti hat in der Geschichte der Luftfahrt eine neue Art des Tötens eingführt", notierte die "Gazetta del Populo". Der "fliegende Artillerist" habe ein "neues Kapitel" der Kriegführung eingeläutet. "Seine Tat ist anders als alles, was wir uns gewohnheitsmäßig vorstellen, wenn wir an Männer im Krieg denken. Hier handelt es sich nicht um einen Reiter mit blutigem Säbel oder um einen Infanteristen , der die Waffe auf einen anderen richtet. Es war eine einfache Handlung, fast wie die Tat eines Handwerkers, der die Kunst des geflügelten Todes beherrscht.

Und Italiens großer Dichter Gabriele d'Annunzio , der spätere Mentor Mussolinis , jubelte in seinen "Canzone della Diana": Und du Gavotti.... Auch der Tod hat nun seine Säer ... Aus geflügelter Höhe wirfst Du Deine Bombe zum sofortigen Blutbad. und in Dir glüht wohl das Herz lebendig im Hauch des Dröhnens."

Auch außerhalb Italiens hörte man die Botschadt der Bomben. Für den schwedischen Journalisten Gustav Janson bewies Gavottis Fähigkeit, einsam und unerreichbar aus der Luft zuzuschlagen, "die unwiderlegbare Überlegenheit der weißen Rasse". Andere waren nicht überzeugt. Der britische Kriegskorrespondentund Reiseschriftsteller George Frederick Abbot war als Beobachter bei den türkisch-arabischen Streitkräften. Er stellte fest, dass die italienischen Luftangriffe gegen türkische Soldaten und arabische Guerilleros ineffektiv blieben, weil die meisten Bomben in den Sand fielen und harmlos explodierten, sodass die Kämpfer bald ihre Angst vor den Fluzeugen verloren. Darum hätten die Flieger dann ihre Taktik geändert : "Die einzigen Opfer sind Frauen und Kinder in den Dörfern, eine Tatsache, die den Zorn der Araber eher verstärkte."

 

Wir haben diese etwas längere Passage aus zwei Gründen zitiert :

- Der Kunstbegriff , der gerade um die Jahrhundertwende (19. zum 20. Jahrhundert ) dramatisch erweitert ( und letztlich damit verwässert ) wurde - erfährt hier eine weitere bemerkenswerte Ausdehnung : Ab jetzt gibt es auch die "Kunst des geflügelten Todes"


- Bereits in der Anfangszeit des Bombenkrieges sind die "Hauptopfer" die Frauen und Kinder- die Zivilisten also . Eine Verminderung der Kampfmoral der Bevölkerung durch die Bombardierungen war nicht zu beobachten - die Zorn und damit wohl auch der Durchhaltewillen des Volkes wurde stärker. Dies hat sich wohl im zweiten Weltkrieg auf dramatische Weise wiederholt.

Die Plakette hat auch einen Bezug zum allgemein Menschlichen, wie der Betrachter wohl bemerkt haben wird: Heiligt der Zweck wirklich jedes Mittel? Wer das Böse bekämpft bis zum Äußersten, läuft der nicht Gefahr, schließlich auch zu "bösen Mitteln" greifen zu müssen ? Churchill hat das im staatsmännischen Bereich übrigens erst nach Dresden hinterfragt.

Nachtrag vom Dezember 2011: Der Autor hat zu dem hier angesprochenen Thema , das schon so viele Gemüter erhitzt hat, eine - wie er meint- ziemlich abgeklärte Meinung. Das häufig strapazierte Wort von der Aufrechnung von Kriegsgräuel geht an der Sache vorbei. Der oberste Wert für einen Historiker sollte wohl die Wahrheit sein: "Die Wahrheit wird euch freimachen". Die Schwierigkeit im Umgang mit der Wahrheit besteht allerdings darin, dass man die wichtige Komponente "Vollständigkeit" niemals realisieren kann. Man wird es hier so stets mit einer Annäherung zu tun haben - wobei hier die Wichtung durch den Historiker einsetzt. Was ist repräsentativ für das Geschehene, um sich ein gerechtes Urteil zu bilden ? Historiker sind schließlich auch nur Menschen mit bestimmten Interessenlagen. Vieles wird man nur in einem Diskurs und an Hand unterschiedlicher Quellen entscheiden können.

Übrig bleibt bei diesem Thema der allgemein beklemmende Eindruck, wie grausam der Mensch zum Menschen sein kann. Dabei ist es nach unserer Auffassung am besten, wenn jedes Volk den Mut und die Bereitschaft hat, sich den von ihm begangenen Grausamkeiten der eigenen Geschichte zu stellen und das nicht anderen überlässt. Die diese Aufarbeitung vornehmen sind im Regelfall allerdings nicht zu beneiden. Den Vorwurf durch "Aufarbeitung" des Gesamtgeschehens würden Opfer relativiert werden, kann man getrost an den Vorwerfenden zurückgeben.

Der Bombenkrieg aus britischer Sicht ist übrigens 2007 vom britischen Kriegsforscher Prof. Antony Grayling (Uni London ) kritisch aufgeabeitet worden (Deutsche Übersetzung im C. Bertelsmamm Verlag erschienen).

Historiker haben allgemein eine große Macht auf die Einstellung der Menschen zu "ihrer" Geschichte- was anderseits auch eine große Verantwortung bedeutet. Diese besondere Macht wird wohl am besten durch das folgende Zitat (Samuel Butler) beschrieben: Der Unterschied zwischen Gott und den Historikern besteht hauptsächlich darin, dass Gott die Vergangenheit nicht ändern kann.

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