Welche Überlegungen zu Qualitäts- und Beurteilungskriterien in der bildenden Kunst sind sinnvollerweise auf die Medaillen- und Reliefkunst übertragbar ? Der Leser möge hierzu sich selbst eine Auffassung bilden- die folgenden Ausführungen und Zitate mögen dazu als Anregung aufgefasst werden.

Version 1.0 Juli 2012

Da der Begriff "Kunst" allgemein nicht umfassend definierbar ist- ausser dass Kunst keinen Gebrauchswert hat (zum Geldverdienen bzw. zur Spekulation und zum Aufbau von "Geltung" ist sie aber allemal geeignet)- kann natürlich auch keine allgemein gültige- zeitunabhängige und gesellschaftsunabhängige Definition der "Qualität" von Kunst angegeben werden.

Es erscheint uns dennoch aber sinnvoll, mögliche Qualitäts- und Beurteilungskriterien für Kunst zu betrachten- allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Der Betrachter eines Kunstwerkes kann sich damit selbst befragen, welche Kriterien ihm persönlich wichtig sind und somit zu einem Urteil über das Werk gelangen, das über ein Geschmacksurteil hinausgeht. Ein solches Urteil wird auch auf ihn selbst Rückschlüsse erlauben: Sage mir, welche Merkmale und Wirkungen von Kunst für dich persönlich wichtig sind und ich sage dir, wer du bist.

Um dieses Ziel zu erreichen, erscheint es uns auch als sinnvoll, nach angemessenen und plausiblen Qualitäts- und Beurteilungskriterien in der Literatur über bildende Kunst und ihrer Kunstkritik zu suchen, deren mögliche Gültigkeit für die Medaillen- und Reliefkunst der Leser kritisch überdenken kann, um sich damit in die Lage zu versetzen, ein eigenes, fundiertes, differenziertes und begründbares und auch durch Gegenargumente "belastbares"Urteil zu bilden. Welche Kriterien sind also für Medaillen und Kunstreliefs als "anspruchsvolle Kleinkunstwerke" hinsichtlich ihrer potentiellen Wirkungen auf den Menschen sinnvoll und anwendbar ?

Wir haben bereits an anderer Stelle einige allgemeine Wirkungen von "Kunst" auf das einzelne Individuum und die Gesellschaft aufgeführt - die zumindest teilweise mit der Evolution erklärt und gedeutet werden können- um zu dieser "Urteilsfindung" über und Beurteilung von Kunstwerken einige Anregungen zu geben. Das entsprechende gilt für das aus der Psychologie und Psychoanalyse bekannte Wissen über die möglichen Wirkungen von Kunstwerken auf den Menschen. Weitere Hinweise auf sehr subjektive "Beurteilungskriterien" lassen sich aus der Bedeutung des Kunstwerks hinsichtlich bestimmter "Lebensmotive" des Betrachters erschließen. Diese Lebensmotive nach Steven Reiss können sein ; Anerkennung, Besitz anhäufen, Status, Eros, Neugier (neue Reize, Wahrheitssuche, Staunen, sich wundern). Auch die Erzeugung möglichen "Sinnerlebens", wie es die Philosophie der Lebenskunst aufzeigt, also ein glaubwürdiges, bedeutsames Angebot, zwischen dem Kunstwerk und sich selbst Zusammenhänge knüpfen zu können, kann zu weiteren subjektiven Beurteilungskriterien von Kunstwerken hinführen. Dieser Überblick ist allerdings sicherlich nicht vollständig, sondern nur als Anregung zu betrachten, sich selbst über die eigenen Beurteilungskriterien ein wenig Klarheit zu verschaffen und Rechenschaft zu geben:

Insgesamt lassen sich daraus mittelbar oder unmittelbar mögliche Beurteilungs- und Qualitätskriterien von Kunstwerken herleiten, die sich allerdings nicht in der Form von dürren Stichworten zusammenfassen lassen. Wir haben aus diesem Grund hier lediglich einige Bereiche angeführt, aus denen der kritische Betrachter seine individuellen Kriterien selbst entwickeln und in ihrer Bedeutung wichten kann.

Kurz zusammengefasst gilt also
: Die Kunst ist frei- und das gilt auch für den Betrachter von Kunstwerken- er muss sich von keinem vorschreiben lassen, was er für "gut" oder "schlecht" zu halten hat. Wenn der Betrachter sich einen Überblick über plausible und sinnvolle Bewertungskriterien verschafft, kann er diese in ihrer Relevanz für sich selbst überprüfen und wichten. Damit kann er sich jenseits eines rein geschmacklichen Urteils hoffentlich zusätzliche Möglichkeiten für eine Vertiefung des persönlichen Kunstgenusses erschließen mit einer gesteigerten Sensibilität für alle Facetten eines Kunstwerks. Eine Diskussion, ein Diskurs mit einem anderen Betrachter über das Wahrgenommene eröffnet ihm darüber hinaus weitere Möglichkeiten zu Einsichten über das Werk jenseits von Geschmacksfragen, der inhaltlichen Darstellung und der handwerklichen Ausführung.

Wir halten es persönlich für sehr sinnvoll, sofern man die Begriff "Kunstmedaille", "Medaillenkunst" und "Reliefkunst" wirklich ernst nimmt, sich zu vergewissern, welche Erkenntnisse man- Qualitätskriterien und Beurteilungskriterien betreffend- aus dem Bereich der bildenden Kunst sinngemäß übertragen kann. Das sollte natürlich kritisch und unter Beachtung der speziellen Gegebenheiten der Medaille und des Reliefs geschehen, die häufig stärker "anlassorientiert" sind - das gilt insbesondere für die Medaille- als die Werke der bildenden Kunst allgemein. Eine prinzipielle Sonderstellung der Medaillen- und Reliefkunst hinsichtlich von Qualitäts- und Beurteilungskriterien innerhalb der bildenden Kunst erscheint uns persönlich nicht begründet. Dabei wird es schwierig sein, sich von dem intuitiven ersten Eindruck zu distanzieren und dem persönlichen Urteil hinreichend genug Zeit zu geben, damit es sich stabil bilden kann. Eine weitere Schwierigkeit wird darin bestehen, sich auf Ungewohntes oder etwas einzulassen, was dem Zeitgeist nicht entspricht. Allgemein gültige und zeitinvariante Urteile sind hier kaum oder nur sehr schwierig zu "fällen". In jeder Kritik oder Beurteilung kommt eine subjektive Komponente zum Tragen, die nicht selten mehr über den Beurteilenden als über das Beurteilte etwas aussagt. Somit kann auch das Nachdenken über Kunst und ihre letztlich sehr subjektiven Bewertungskriterien etwas zur Selbsterkenntnis des Beurteilenden beitragen.

Der Autor dieser Zeilen spricht aus eigener Erfahrung : Vieles, was im offiziellen Kunstbetrieb für tiefsinning, gelungen, geradezu genial angesehen wurde und wird, findet er selbst- man möge ihm nachsichtig diese ketzerische Äußerung verzeihen- nicht selten als ziemlich belanglos, geradezu aufschneiderisch und trivial. Ein etwas höheres Lebensalter bietet uns allerdings den Vorteil, dass so manches, was wir schon in jüngeren Jahren als sehr fragwürdig empfunden haben, in unseren späteren Jahren auch von einem Teil der Kunstwissenschaft und Kunstkritik- im zeitlichen Abstand- bestätigt sehen. Das beruhigt doch zumindest die Selbstzweifel etwas:

"Viele Kunstwerke wirken leer und stümperhaft. Trotzdem werden sie groß gefeiert. Bei vielen Betrachtern wächst der Verdacht, die Kunstgesellschaft leugne aus Eitelkeit und materiellen Interessen die Nichtigkeit der Werke. Andersens Märchen Des Kaisers neue Kleider scheint hier wahr geworden zu sein. " (Christian Saehrendt, Steen T. Kittl: Das kann ich auch,GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR MODERNE KUNST,Du Mont Literatur und Kunst Verlag Koln, 3. Auflage 2007,ISBN 978-3-8321-7759-1 )

Die folgen Zitate mögen - ähnlich wie Kunstwerke selbst- den Leser zum "Nachsinnen" und phantasievollen Weiterdenken anregen. Wir können natürlich hier nur eine kleine Auswahl von Textstellen aus einem umfangreichen Literaturangebot zum Thema anbieten, die in diesem Zusammenhang grundsätzlich von Interesse ist. Bei der Auswahl hat unsere persönliche Auffassung die entscheidende Rolle gespielt - was uns grundsätzlich äußerst fragwürdig erscheint, haben wir nicht aufgeführt. Wir sind uns dieser "Einseitigkeit" durchaus bewusst und können bereits aus diesem Grund keine Antworten, sondern nur einige bescheidene Denkanstöße geben- bestenfalls.

Hinweis: Die zitierten Werke werden in der Folge nicht um ihrer selbst willen, sondern als Erörterungsgrundlage, Argumentationsunterstützung und sachbezogene Ergänzung aufgeführt, somit besteht eine innere Verbindung zwischen dem zitierten und dem zitierenden Werk. Der Schwergewicht dieser Webseite liegt auf der eigenen geistigen Auseinandersetzung mit dem hier behandelten Thema- die Zitatsammlung ist also hier als unterstützendes, sachbezogenes Hilfsmittel für die eigene Argumentation anzusehen.

 


Wolfram Völcker
Was ist gute Kunst ?
Hatje Canitz Verlag
2007
ISBN 978-3-7757-1976-6

Seite 21

Wenn das Wort „Qualität“ auftaucht, dürfte es häufig schlicht und ergreifend um Einfluss und Besitzstandswahrung. Etwa wenn Kunsthändler und Sammler von Qualität sprechen, wobei das existentielle Bezugssystem dann allerdings meistens relativ offen vor einem liegt. Schwieriger, wenn Kuratoren und Künstler hinzukommen und wenn es dann um Netzwerke geht, die vom Konsens leben, sich durch das Urteil, was qualitätsvoll ist und was nicht, verständigen und sich ihres Zusammenhalts versichern. Und spätestens an diesem Punkt wird die Offenheit und Neugier in der Kunstbetrachtung allemal wichtiger als das vielbesungene Qualitätsbewusstsein . Die Offenheit, sich bei jedem Künstler auf neue, eigene Kriterien einzulassen, sich bei jedem Gemälde erneut zu fragen, welchen Weg der Maler hier eigentlich geht, und ob das Bild einlöst, was der Künstler mit ihm wollte. Daher aufgemerkt! Wenn es um Qualität geht, geht es oft um Macht.

Nie wird ein Kriterium reichen, um sich über die Qualität von Malerei zu verständigen oder gar ein Urteil fällen zu können.

Seite 9

Heinrich vermutet einen Grundsatz von Qualität , wenn Kunst auch nach Jahren der Betrachtung, nach wiederholter Rezeption , dem Betrachter noch Neues, Ungesehenes offenbart.


Hanno Rauterberg:Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung
S.Fischer Verlag
2007
ISBN 978.3-10-062810-7

Seite 190

"Gute Kunst ist eine, die Betrachter zur Deutung einlädt, ohne gleich vollständig ausdeutbar zu sein. "

Seite 202

"Ohne Freude am Entschlüsseln, am Überlegen und Verwerfen hat sich das Kunstwerk rasch erschöpft. "




Wolfgang Ullrich
Gesucht Kunst
Verlag Klaus Wagenbach Berlin
2007
ISBN 978-3-8031-2577-4


Seite 64

Als hilfreich dabei erweist es sich, wenn der Künstler weiß, was er im Unterschied zu Vertretern anderer Disziplinen kann. Statt sich an dem zu orientieren, was andere Künstler machen, und dabei Gefahr laufen, nur den Ansprüchen des herrschenden Kunstbegriffs zu unterliegen, sollte er lieber darüber nachdenken, wie er Sujets, die auch ein Wissenschaftler, Dienstleister oder Modedesigner verfolgen mag, auf seine Art und Weise in Szene setzen kann. Nur dann ist die Freiheit, die ihm auferlegt ist, eine Chance.

Kunstwerke sollten nicht nur als Kunstwerke gelten dürfen; vielmehr sollte ihre Erschließungsleistung– jener spezifische Blick des Künstlers- im Mittelpunkt stehen, egal ob es sich dabei um ein formales Phänomen, ein soziologisches oder politisches Sujet oder um eine spezifische Stimmung handelt. Ein wesentliches Kriterium von Kunst wäre es dann, ob sich ausgehend von einem Werk eine Diskussion entwickeln lässt, in deren Verlauf es gar nicht mehr um die Frage nach dem Kunsthaften des Werkes geht. Das tritt vielmehr nur indirekt, als Quelle von Gedanken oder als Garant einer gewissen Konzentration, in Erscheiniung. Dafür wird die "Unerschöpflichkeit" der Kunst darin erfahrbar, dass ein Nachdenken über ein Werk kein schnelles Ende findet und doch nicht vom Thema abkommt.

Seite 85

Wer, von Transzendenzspekulationen verführt, geldähnlich-offene Werke schafft, macht es unmöglich, dass Spezifisches über sie geäußert wird.


Seite 86

Zwar mag es einzelnen Rezipienten gut tun, wenn sich ein Werk nach ihren Erwartungen und Bedürfnissen richtet, doch wenn sie ehrlich sind, wird immer eine Unsicherheit bleiben: Dass dasselbe auch etwas ganz anderes bedeuten könnte, ist zu spüren, und dass ein Werk einen verrät, sobald sich ihm ein anderer Interpret nähert, muss jeder akzeptieren, der sich mit ihm beschäftigt. Ein Joker, der von vielen gleichzeitig verwendet wird, ist ein unverbindlicher Geselle. Dabei ist die Unverbindlichkeit nur eine weitere Un-Tugend der Kunst und enger Begleiter der anderen Un-Tugenden.

Seite 100

Beurteilt man das Dargebotene also nicht etwa danach, ob es überraschen kann, ungewöhnlich, geheimnisvoll oder mehrdeutig ist, ironisch in Frage stellt oder aber irritiert und provoziert?

Dies sind jedoch, genau besehen, keine Qualitätskriterien. Überraschen kann nämlich auch etwas, das unerwartet schlecht ist; das Mehrdeutige kann einfach nur krude und wirr sein, und Irritationen liefern nur selten einen Impuls zum erkenntnisfördernden Umdenken, sondern sind bloß eine Störung. Man erklärt also etwas, das an sich keinen positiven Wert hat, zu einer positiven Qualität- ähnlich einem, der vom Schicksal nicht begünstigt ist, sich und anderen einzureden, sein Leben sei gut, denn es sei abwechslungsreich und er mache immer wieder neue Erfahrungen: Wo höhere Ansprüche unereichbar sind oder nicht wichtig scheinen, kann man mit solchen Kategorien ein Qualitätsbewusstsein suggerieren.

Die Kunstkritik kennt viele solcher Pseudo-Standards, was es den Künstlern auch erst erlaubt, sich ungeniert, unbedarft und ungestraft beliebiger Ausdrucksformen zu bedienen. Das unterscheidet sie von Protagonisten anderer Bereiche, die sich umgekehrt in Spielarten der bildenden Kunst üben, dabei jedoch ganz klar als Hobbykünstler und Laien gehandelt werden- und dies nicht, weil ihre Arbeiten absolut schlechter sind als vieles, was in der Kunst selbst zirkuliert, sondern weil ihre angestammten Metiers nicht entsprechend offen sind.

Seite 101

Das Bewusstsein für Grenzen ist also nirgendwo so gering entwickelt wie im Bereich der bildenden Kunst. Die damit verbundene Gleichgültigkeit gegenüber Standards wird noch dadurch gesteigert, dass die Kunst seit der Avantgarde- anders als Technik und Wissenschaft- nicht mehr kumulativ verstanden wird. Anstatt nach immer mehr Perfektion zu streben und die Vorgänger durch noch subtilere Techniken zu übertrumpfen, es also auszuspielen, dass sie einen über Generationen gewachsenen Erfahrungsschatz nutzen und ausbauen können, sehen Künstler ihre Leistung darin, möglichst viele Bindungen zur Tradition aufzukündigen und bisher übliche Normen nicht zu erfüllen. Wichtig ist die Geste des Dementis, propagiert wird Ursprung und Neuanfang. Diese Art von Innovativität ist jedoch zwangsläufig mit einem Verzicht auf Professionalität und mit der Unmöglichkeit von Standards erkauft.

Doch sollte der Hinweis auf Platon daran erinnern, dass nicht erst die zeitgenössische Kunst skeptische Diagnosen auf sich zieht. Vielmehr weckte die Kunst zu verschiedenen Zeiten den Verdacht, ohne positive Standards und damit willkürlich zu sein. So leitete Platon aus dem Vorwurf mangelnder Kompetenz direkt den Vorwurf der Beliebigkeit ab: Wer ohne klares Wissen über das arbeitet, womit er sich beschäftigt, wird dasselbe jedes Mal wieder anders nachahmen und daher sogar die Maßstäbe seines Publikums verwirren.


Seite 103

Als Folge der (postulierten) Undefinierbarkeit ist auch nur schwer und schon gar nicht allgemein zwischen Gelingen und Missglücken zu unterscheiden, nicht jedoch anzugeben, was genau die Grenze zwischen dem einen und dem anderen ausmacht. Deshalb kann sich vieles im Terrain der Kunst bewegen, das zwar bei der Mehrheit den Eindruck erweckt, unprofessionell oder sogar dreist zu sein , das aber dennoch geduldet wird, da sich keine Kriterien anführen lassen, um es eindeutig auszuschließen. Finge man erst an, gewisse Richtungen oder Positionen zu Nicht-Kunst zu erklären, gäbe es möglicherweise bald kein Halten mehr- wovon nicht zuletzt die Schriften von Kritikern der modernen Kunst zeugen, die überraschend oft pauschal abkanzeln und die Kunst- gleichsam in platonischer Tradition – im Ganzen verwerfen, während es in der Ethnologie oder Gastronomie , wo klare Standards existieren, keine so generellen Urteile gibt.


Seite 105

Die Urteilskraft eines Kriterienkundigen ist viel differenzierter als das sorgfältigste Gesetz, das derselbe zu Papier bringen könnte, weil „das Gesetz nicht imstande ist, das allen Zuträglichste und Gerechteste genau zu definieren und so das wirklich Beste zu befehlen. Denn die Verschiedenheit der Menschen und der Handlungen, aber auch der Umstand, dass dort, wo Menschen beteiligt sind, nichts unverändert bleibt, erlaubt es nicht, dass irgendeine Kompetenz etwas formuliert, was für jeden und für alle Zeiten gelten könnte. "


Jean- Christophe Amman
Bei näherer Betrachtung Zeitgenössische Kunst verstehen und deuten
Westend Verlag
2007
ISBN: 978-3-938060-21-6

Seite 12

"Die Behauptung, dass Kunst dort beginne, wo der Geschmack aufhöre, ist zwar grundsätzlich richtig, bedarf aber der Differenzierung, denn der Geschmack stellt eine enorme Anziehungskraft dar: Etwas zieht uns an oder stößt uns ab. Ich glaube, dass diese Anziehungskraft eine genuine Qualität besitzt und im Menschen tiefer angesiedelt ist als die der Biographie und Sozialisation zugrundeliegenden Erkenntnisse und Erfahrungen.

Damit stellt sich die Frage, ob wir nur auf jene Dinge ansprechbar sind, die auch in unserem Resonanzbereich liegen, und zum anderen die Frage, ob dieser Resonanzbwereich erweitert werden kann. Sicher muss zuerst einmal der vorhandene Resonanzbereich erkundet werden. Es gilt, in qua Neugier, Erkenntnis und Erfahrung auszuloten. Geschmack erweist sich dann als ein Instrument der Erkundung, das ich wie ein Vehikel zu steuern vermag. Sprechen wir über Kunst, müssen wir auch über Qualität reden. Das ist es, was Menschen am meisten interessiert und auch irritiert, denn die Frage lautet häufig:"Wie kann ich Qualität erkennen ?"

Das ist eine der schwierigsten Fragen und letztlich wohl auch nicht zu beantworten. Der einfachste Weg besteht im Vergleich. Der Vergleich setzt Wissen und Erfahrung voraus. Wichtig ist, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht, denn vergleichen kann man nur Vergleichbares. Zum Beispiel innerhalb ein und desselben Werkes eines Künstlers oder einer Kunstperiode. Der Vergleich besagt dann: Dieses ist besser gelungen als das andere. Je größer der Überblick ist, umso produktiver kann die Einschätzung sein."

Seite 13

"Es wird also viel schwieriger, Qualität zu erkennen, wenn wir mit etwas konfrontiert werden, das sich der Vergleichbarkeit entzieht. Gerade in der Moderne gibt es haufenweise Fälle, in denen die Qualität und Bedeutung von Kunstwerken wegen ihrer Unvergleichbarkeit nicht erkannt wurden

Seite 17

"Ein letztes Wort gilt der Verführung. Auch Kunstwerke besitzen ein Verführungspotential, besonders wenn sie die Anziehungskraft des "Geschmacks" ansprechen. Da fast jeder Mensch verführbar ist, gibt es eben auch Kunstwerke, die uns , da wir eine gewisse Affinität zu ihnen verspüren, in die Falle locken. So wie Geschmackskriterien statistisch zu ermitteln sind, können auch Kunstwerke entsprechend programmiert werden.

Aber wir können diese Problematik auch auf einer anderen Ebene betrachten. Wie in der Liebe gibt es in Bezug auf Kunstwerke den "coup de foudre" (sich Hals über Kopf verlieben). Die Liebe auf den ersten Blick kann, muss aber keineswegs in einer Enttäuschung münden. Die Gegenposition zur Liebe auf den ersten Blick besteht in der Annäherung. ...

Etwas Fremdes begegnet mir, das mich zugleich anzieht und sich mir verweigert, das dennoch Signale aussendet, die mich wach halten. Es sind Werke, die Unbekanntes in mir ansprechen, die mich in meiner Neugier weniger bestätigen als mich vielmehr dazu auffordern, eine andere Vorstellung meiner selbst auszuloten. Auch dies hat mit der Qualität eines Kunstwerks zu tun, denn es fordert mich auf, die Welt, die unablässig auf mich einwirkt, auf andere Weise zu sehen. "


Stefan Heidenreich
Was verspricht die Kunst?
Berliner Taschenbuch Verlag
2009
ISBN978-3-8333-0582-5

Seite 168

Vor dem Hintergrund dessen, was das Museum als die jeweils jüngste Vergangenheit laufend neu herstellt, entfaltet sich Kunst zwischen den beiden Polen von Nachahmung und Unterscheidung. Neue Werke müssen einerseits bestehender Kunst ähneln, um wieder als Kunst anerkannt zu werden, und dürfen andererseits dem, was schon gemacht wurde, nicht zu sehr gleichen. Um Werke in Misskredit zu bringen, genügt es zu behaupten, sie würden ein Werk nachahmen, das bereits vor Jahren gemacht wurde -eine Unterstellung, die immer möglich ist, denn kein Werk vermag alle Ähnlichleiten mit anderen zu löschen.

Seite 209

Dem Publikum, das nicht von Fachkenntnissen belastet ist, dient Kunst genau wie jedes andere Feld unterscheidbarer Dinge und Aussagen als Projektionsfläche des persönlichen Geschmacks. Es bezieht mit seinem Urteil eine Stellung zur Kunst, aber es sagt weit weniger über das Werk, als vielmehr über sich selbst. Ob man ein Werk mag oder nicht. Das Werk bleibt davon unberührt. Als Angebot zur Identifikation deckt Kunst ein großes Feld ab, stellt sie doch nicht nur eine Reihe feiner Unterschiede zwischen Dingen und Ereignissen her, sondern entwirft parallel dazu einen historischen und theoretischen Hintergrund. Bei der Auswahl seiner Vorlieben steht es dem naiven Betrachter nicht nur frei, das Werk zu verstehen, wie er will, es ist auch völlig unerheblich, ob er sich das ihm unterstellte Verständnis aneignet oder nicht, solange es ihm gelingt, in der Kunst zu sich selbst zu finden.

Nur weil sie im Betrieb der Kunst funktionieren oder nicht, sind Werke nicht besser oder schlechter.


Jörg Heiser
Plötzlich diese Übersicht
Was gute zeitgenössische Kunst ausmacht
Claasen Verlag
3. Auflage, 2007
ISBN 978-3-546-00402-2

Seite 23

... Kurz: Anstatt ständig ihre Einheit , ihre Unnahbarkeit, ihre Autonomie zu unterstreichen- wie das Tabernakel einer heiligen Idee – macht die interessante Kunst das genaue Gegenteil und wirft sich hemmungslos in die Arme meiner Wahrnehmung. Sie überantwortet mir die freudige Arbeit meiner Wahrnehmung. Sie überantwortet mir die freudige Drecksarbeit des Denkens und der Kritik. Sie erzählt nicht, sie lässt erzählen.

Der geniale Zug dieser Strategie des offenen Kunstwerks, wie Umberto Eco das zuerst genannt hat, besteht darin, dass diese Selbstauflösung die Selbständigkeit der Kunst als Ausdrucksform bewahrt. Denn von der Wirklichkeit erzählen und gut aussehen und wenn nötig kritisch sein- das können andere Ausdrucksformen auch und nicht selten besser


Christian Saehrendt, Steen T. Kittl:
Das kann ich auch, GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR MODERNE KUNST, Du Mont Literatur und Kunst Verlag Koln, 3. Auflage 2007,

ISBN : 978-3-8321-7759-1

Seite 201

Ephraim Kishon, seinerzeit ein beliebter Satiriker und immerhin ein studierter Kunsthistoriker, ließ sich einmal zu dem Kommentar hinreißend: “Die Schönheit ist für die heutige Kunst gestorben… Die Gegenwart gehört der Mülldeponie“

Eine andere Ikone der Literatur, Hans Magnus Enzensberger, fühlte sich angesichts mancher Arbeiten auf dem Kunstmarkt „an die Hinterlassenschaften schlecht ausgebildeter Klempner“ erinnert. Wer wagt da noch zu behaupten, die ungezählten Kunst-Verzweifelten stammten allesamt aus dem „bildungsfernen Milieu“?

Seite 203

..nur über den offenen Streit lässt sich die Frage nach der Qualität von der ganzen Geschmackssoße befreien. Es geht also darum , dem persönlichen Geschmack erst einmal zu misstrauen, ihn zu entwickeln und zu verfeinern. Und das möglichst ungestört vom Zeitgeist, den Trendkünstler und und Trendgaleristen , Designer und Modeschöpfer ästhetisch verwursten.

Seite 204

Die K-Frage

Ähnlich wie die Kunstwissenschaftler fragen Sie dann nach inhaltlicher Mehrdeutigkeit, konzeptioneller Raffinesse, der Brauchbarkeit der Herstellung historischer Bezüge oder dem Innovationsreichtum des Künstlers. Das sind zumindest ein paar Kriterien, die sich gehäuft bei guter und seltener bei schlechter Kunst finden. Es schadet nicht, diese Liste im Hinterkopf zu haben , aber ohne einen gewissen Erfahrungsschatz kann man wohl kaum den historischen Wert eines Werkes ermessen.

 


Herbert Laszlo
Das große Buch vom Glücklichsein
Verlag 55 Plus Buchverlagsgesellschaft mbH, Wien
2005
ISBN 3-902441-22-4

Kunst ist ein Bereich der Kommunikation. Der Künstler sendet eine verschlüsselte Botschaft aus, zu deren Entschlüsselung eine bestimmte Anstrengung nötig ist. Entspricht diese Anstrengung, also Belastung, der Belastbarkeit des Kunst-Konsumenten, dann wird dieser glücklich.

Seite 177
Worin besteht die optimale Belastung? In einer verschlüsselten Botschaft, zu deren Entschlüsselung der Empfänger oder die Empfängerin eine Anstrengung benötigt, die möglichst genau seiner Belastbarkeit entspricht. Diese Belastbarkeit hängt von den geistigen Fähigkeiten und dem bisherigen Wissen der Person ab, die Kunst konsumieren soll. Es gibt kein Werk, das auf alle Menschen gleichermaßen als Kunst wirkt.

… Machen Sie nicht den Fehler, Ihre Werke auf jeden Fall „schön“ zu gestalten. Das wäre für manche Menschen langweilig. Auch hässliche Kunst hat ihren Markt.

Seite 98
Sogar der pessimistische Philosoph Arthur Schopenhauer ließ den Kunstgenuss als Quelle von Glücksgefühlen gelten. Auch er stand fasziniert vor den Leistungen der Künstlerinnen und Künstler, die uns gleichsam aus heiterem Himmel mit Gefühlen versorgen, die uns überraschen und glücklich machen. Ein Kunstwerk ist eine verschlüsselte Botschaft, deren Entschlüsselung bestimmte Menschen optimal belastet. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass Kunst für jeden Menschen und zu jeder Zeit etwas anderes ist.

Seite 99
Jedes Kunstwerk ist für bestimmte Menschen „zu hoch“, für bestimmte Menschen „zu primitiv“ und für eine dritte Gruppe eben das, als was es gedacht ist: Kunst, die Glücksgefühle auslöst. Kein Kunstwerk wirkt zu jeder Zeit gleich. … Wir können nicht zweimal dasselbe Kunstwerk auf die gleiche Art genießen. Es wirkt- durch Ermüdung und Trainingseffekt- immer wieder anders.

… Wir können nicht zweimal dasselbe Kunstwerk auf die gleiche Art genießen. Es wirkt- durch Ermüdung und Trainingseffekt- immer wieder anders.


Hanno Rauterberg
Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung
S.Fischer Verlag , 2007,
ISBN 978.3-10-062810-7

Seite 95

Ein guter Künstler ist einer, der sich seiner eigenen Kriterien bewusst ist, der benennen kann, warum ihn seinen eigenen Werke überzeugen. Weshalb das übergroße Bildformat, warum eine Skulptur aus Kronkorken, wieso ein Videofilm über Tiere ? Warum ausgerechnet dieses Sujet mit jenem Material und in dieser Form ? Seine Bewertungen und Entscheidungen mögen sich im Laufe der Zeit ändern, schließlich ist Kunst nichts Erstarrtes, sondern ein unabschließbares Spiel. Und wie jedes gute Spiel hat es Regeln, die sich ausbauen oder verengen lassen. Die Kunst muss diesen Regeln nicht folgen, aber sie muss sie aber achten. Denn ein gelingendes Spiel bleibt sie nur, wenn es Regeln gibt. Schließlich ist nichts öder als sklavische Regelerfüllung- mit Ausnahme völliger Regellosigkeit. Ein gutes Kunstwerk wäre mithin eines, das bestehende Kriterien aufgreift und variiert, das daraus sogar andere Kriterien entwickelt, nicht unbedingt verbindliche, aber verbindende doch.

S. 102
"Neu zu sein, bedeutet nichts. Bedeutung aber braucht die Kunst. "

Seite 181

Meistens ist aber gute Kunst mehr als Fast Food und schnelle Befriedigung. Sie bereitet Lust, weil sie etwas in Aussicht stellt. Und in Aussicht stellt sie etwas, wenn sie den Betrachter zum Sehen einlädt, ohne gleich alles auf den ersten Blick offen zu legen. Qualität wäre so betrachtet ein anderes Wort für das Vielversprechende, für eine Kunst, die sich erst nach und nach entbirgt.

Seite 183

Der Mensch kann Gefühle lernen, kann sie vertiefen, verfeinern, kann sich im Intuitiven noch kennen. Er kann nicht nur Erkenntnisse gewinnen, sondern sich auch an Affekten bereichern. Die Kunst muss sich also nicht darauf kaprizieren, die Wahrnehmung verschieben oder aufbrechen zu wollen. Es reicht, wenn sie erst einmal das Wahrnehmen wahrnimmt.

Seite 185

Schon das Betrachten selbst formt das Kunstwerk um, ein jeder macht sich davon ein eigenes Bild, in seinem Inneren nimmt es neue Formen und Bedeutungen an. Und das ist durchaus kein konsumistischer Akt, sondern ein schöpferischer Akt, ein Akt der Aneignung.

Seite 186

Doch Wahrnehmung lässt sich nicht programmieren, sie braucht eine Unbestimmtheit, in der sich das Spiel von Reiz und Rührung entwickeln kann. Sicher kann man auf die Offenheit auch verzichten, wenn ohnehin von vornherein feststeht, was bei der Kunstbetrachtung herauszukommen hat.

Seite 187

Die Frage nach der Bedeutung zeichnet die Kunst aus….Manchmal kann diese Frage nach der Bedeutung so übermächtig werden, dass die Kunst hinter ihr zu verschwinden droht, weil das Deuten wichtiger ist als das Sehen. Umgekehrt allerdings, wenn es beim reinen Kunstgefühl bliebe, wäre auch niemand glücklich. Das eine kann nicht sein ohne das andere: Um zu wissen, worüber man redet, braucht es das Wahrnehmen; um das Wahrgenommene zu erschließen, braucht es das Nachdenken.

Seite 190

Es gilt für den Künstler dasselbe wie für den Betrachter: Das Impulsive, rein Assoziative, muss einholbar sein von der Reflektion.

Seite 190

Gute Kunst ist eine, die Betrachter zur Deutung einlädt, ohne gleich vollständig ausdeutbar zu sein.

Seite 191

Bedeutung aber entsteht nur, wenn sie vom Künstler empfunden und auch von Betrachtern geteilt wird. Wenn also die Kunst sich nicht allein auf sich selbst bezieht, sondern sich als „Vehikel der Mitteilung“ (Kant) versteht.

Seite 195

Weil dem einen nun aber dies und dem anderen jenes gefällt, unterscheidet Kant klugerweise zwischen Sinnengeschmack und Reflexionsgeschmack, zwischen dem Privatsinn und den Allgemeinsinn. Er meint, dass sich ein jeder der Relativität seiner eigenen Empfindungen bewusst sein muss, vor allem dann, wenn es nur um wohlige Gefühle des Angenehmen geht.

Seite 197

Die Kunst ist frei, und der Betrachter ist es ebenso. Er darf Ich sagen und dieses Ich gegen alle Künstler, Händler, Kritiker behaupten. Er muss sich nicht von anderen erzählen lassen, was er sehen soll.

Seite 200

Zwar folgen nicht alle Menschen denselben Mustern von Reiz und Rührung, der eine mag sich unterfordert fühlen, wo der andere an Überforderung leidet.

Seite 202

Ohne Freude am Entschlüsseln, am Überlegen und Verwerfen hat sich das Kunstwerk rasch erschöpft.

Seite 203

Was bloss angenehm ist, führet bald eine Sättigung und zuletzt den Ekel mit sich. … Hingegen fesselt das Unangenehme, das mit dem Angenehmen vermischt ist, unsere Aufmerksamkeit, und verhindert die allzu frühe Sättigung ( Moses Mendelsohn, 18.Jahrhundert )

Seite 208

Es zeichnet gute Kunst aus, dass sie einem klaren Auftrag folgt, sich aber für die Erfüllung dieses Auftrags jede Freiheit nimmt.

Seite 213
Gute Kunst hingegen erschöpft sich nicht in der Originalität ihrer Mittel, sie will fremde Erfahrungsfelder erschließen oder bietet ungewohnte Zugänge zu vertrauten Themen.

Seite 215
Bei einem guten Bild allerdings erschöpft sich das Sehen nicht beim Erstkontakt, im Gegenteil, die Wiederbegegnung wird zum Reiz, auch weil der Betrachter nie weiß, ob sich sein Sehen im Wiedersehen ändert.

Seite 243
" Eine Lust am Betrachten entsteht erst, wenn Kunst Neugier weckt, und Neugier weckt sie erst, wenn sie Vertrautes auf unvertraute Weise zeigt. "

Seite 269
" In diesem Sinne wäre gute Erkenntniskunst nicht eine, die sich als Wissensagentur oder Forschungsstation versteht. Ihre Qualität wäre es vielmehr, dem Betrachter eine „Lust der Reflexion“ zu bereiten, seine Erkenntniskräfte zu stärken, in ästhetisch weiterzubilden."

Seite 99
Das Prinzip des Neuen durchdringt also Kunst und Alltag gleichermaßen, es macht die Grenzen unkenntlich. Doch weil es omnipräsent ist, erschöpft es sich auch- durch Inflationierung. Dass also viele in der Kunstbranche wachsende Langeweile und schweres Unbehagen empfinden, liegt nicht daran, dass es zu wenig Neues gäbe. Es liegt daran, dass es zu viel des Neuen gibt.

Für die Kunst des Humors empfiehlt es sich offenbar, nicht die Extreme, sondern eher die Mitte zu suchen; nicht zu simpel und direkt zu sein, nicht zu verrätselt, nicht zu selbstgerecht, nicht zu konstruiert.


Alfred Neumayer
Die Kunst in unserer Zeit
Versuch einer Deutung
Henry Goverts Verlag Stuttgart
1961

Seite 140

"... Baudelaires Beobachtung ... : "Was nicht in einer gewissen Weise verzerrt ist, scheint gleichgültig; deshalb sind das Unregelmäßige, das heisst das Unvorhergesehene, das Abrupte, das Überraschende wesentlich und charakteristische Elemente der Schönheit""


Christian Saehrendt, Steen T. Kittl:
Das kann ich auch,GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR MODERNE KUNST
Du Mont Literatur und Kunst Verlag Koln, 3. Auflage 2007
ISBN 978-3-8321-7759-1

Seite 181:
"Viele Kunstwerke wirken leer und stümperhaft. Trotzdem werden sie groß gefeiert. Bei vielen Betrachtern wächst der Verdacht, die Kunstgesellschaft leugne aus Eitelkeit und materiellen Interessen die Nichtigkeit der Werke. Andersens Märchen Des Kaisers neue Kleider scheint hier wahr geworden zu sein. "


Nachtrag 1: Form und Inhalt

Wie schwierig oder gar unmöglich es ist, sich ein allgemein gültiges Urteil in der Kunst zu bilden, sei hier an einem Beispiel gezeigt: Einerseits kann man als Beurteilungs- und, Qualitätsmerkmal die Abstimmung, die Kongruenz, von Inhalt und Form ansehen- andererseits kann aber gerade der bewusste Verstoss gegen dieses "Prinzip" dem Kunstwerk seinen besonderen Reiz verleihen und sogar zu einer neuen Stilrichtung führen.

Zitat aus Alfred Neumeyer : Die Kunst in unserer Zeit - Versuch einer Deutung;

"In Picasso treten Form und Inhalt auseinander. Es gibt im Inhaltlichen keine Gründe, warum diese nackten Gestalten so gebildet und gemalt sind, wie sie erscheinen. Im Werdegang ihres Entstehens ist ein neues Prinzip der Malerei zum Durchbruch gekommen. ... Zerstörung und Neugeburt liegen im revolutionären Akt unauflösbar nebeneinanander.


Nachtrag 2:

Überlegungen zu Entwurfskriterien für Medaillen

Zur Exzellenz der Entwürfe von Medaillen sind, soweit uns bekannt, nur wenige Empfehlungen oder "benchmarks of good design" öffentlich gemacht worden. Wir begrüßen solche Veröffentlichungen ausdrücklich, da sie dazu geeignet sind, Anregungen zu kritischen Überlegungen und Diskussionen über Entwurfskriterien, zu einer Weiterentwicklung und zu einer eigenen Standortbestimmung auf diesem Gebiet zu geben. Solche benchmarks sollten sicherlich nicht als starres Konzept, als "Vorgaben", als vorgegebenes Regelwerk, aufgefasst werden- es kann bekanntlich durchaus besonders reizvoll und auch im Sinne einer Weiterentwicklung sein, gegen bestimmte "Regeln" zu verstoßen. Auch wird man "benchmarks" nicht für alle Ewigkeit festschreiben können - sie sind aber nach unserer Auffassung ein wertvoller Diskussionsbeitrag dazu, die künstlerische Qualität und das Ansehen der Kunstmedaille als "anspruchsvolles Kleinkunstwerk" ( in " " zitierte Redewendung aus WIKIPEDIA zur Medaillenkunst, 2012) zu fördern.

Wir weisen in diesem Zusammenhang auf einen Beitrag von Heidi Wastweed ( in AMSA Members Exchange, Januar 2011) hin, in dem Entwurfskriterien für Medaillen vorgestellt und empfohlen werden.

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