Lebenskunst

Seite 110

"Für je mehr Dinge einer sich interessiert, umso mehr Glücksmöglichkeiten hat er und um so weniger ist er ein Spielball des Schicksals, denn falls eines ihm fehlschlägt, kann er sich etwas anderem zuwenden. Das Leben ist zu kurz, als dass man sich mit allem beschäftigen könnte, doch ist es gut, sich für so viel Dinge zu interessieren, wie man braucht, um dem Tag seinen Inhalt zu geben. Wir alle neigen etwas zur Krankheit des Selbstanalytikers, der, während der mannigfaltige Anblick der Welt ausgebreitet vor ihm liegt, sich abwendet und nur auf seine innere Leere starrt. Nur wollen wir uns nicht einbilden, es sei etwas Großes um eine solche unglückliche Gemütsverfassung."

Seite 113

"Es ist ganz unmöglich, im voraus zu erraten, was einen Menschen fesseln kann; irgendeines tiefinneren Interesses, sei es woran immer, sind die meisten fähig, und ist dieses Interesse erst einmal geweckt, so ist die Langeweile dauernd gebannt. Sehr ausgefallene Interessen sind indes keine so reiche Glücksquelle wie eine allgemeine Lebensfreudigkeit, da sie kaum die ganze Zeit eines Menschen ausfüllen werden und immer zu befürchten ist, dass der Sache, die er zu seinem Steckenpferd gemacht hat, eines Tages nichts Neues mehr abgewonnen werden kann."

Bertrand Russel: Eroberung des Glücks, Neue Wege zu einer besseren Lebensgestaltung, suhrkamp taschenbuch 389, 1977 , ISBN 978-3-518-36889-3

Zurück