Abstrakte Kunst

Nur um Missverständnisse zu vermeiden:

Wir sprechen uns hier nicht prinzipiell gegen abstrakte Kunst oder Formen aus- abstrakt oder figurativ- sind sicherlich "gleichberechtigte" Gestaltungsprinzipien. Der Gestalter kann damit völlig neue Formen "erfinden", sich fast wie ein "kleiner Schöpfer oder Herrgott" mit seinen neu geschaffenen, autarken Formenreichtum fühlen.

Sofern dem Zufall allerdings zu großer Raum gegeben wird- sehen wir prinzipiell die Gefahr der Belanglosigkeit, der Beliebigkeit, der Unverbindlichkeit in dieser Kunstrichtung. Etwas spöttisch ausdrückt: Es gibt eine Menge von abstrakten, bizarren und "interessanten" Formen, teils mit sehr beeindruckenden Farben, auch am Austritt eines Müll-Schredders oder einer Schrottpresse. Man könnte natürlich auch- nach Geschäftsschluss- mit einem Lastwagen in einen Supermarkt mit hoher Geschwindigkeit "reinbrettern": Welch Formen- und welch Farben-Pracht! Der Fahrer sollte sich aber natürlich gut gegen Verletzungen schützen! Wer einigermaßen weiß, was in der Vergangenheit schon als "Kunst" deklariert worden ist, wird konsequenter Weise auch hier überzeugt sein, dass der Supermarkt nach Abschluss der Aktion selbstverständlich ein Kunstwerk ist- vom gekonnten Hineinsteuern des Lastwagens als Aktionskunstwerk mal abgesehen.

Das "Erfinden" von neuen Formen und Gestaltungsmöglichkeiten- allein auf sich selbst gegründet- assoziieren wir mit dem Erfinden von neuen Lauten- als Lautmalerei, das hatten wir alles schon- und neuen Sprachen um ihrer selbst willen, nur bleibt uns da persönlich die bange Frage, was das eigentlich soll, wenn nichts mitgeteilt wird- abgesehen von der Vermittlung eines möglicherweise faszinierenden ästhetischem Erlebens. Vielleicht ist aber gerade das die Mitteilung- dass es nichts mitzuteilen gibt. Da das "Werk" auch Rückschlüsse auf seinen "Schöpfer" und auf den Zustand der Gesellschaft erlaubt, gibt es natürlich schon eine indirekte, dahinterliegende Botschaft! Dass in der Welt häufig absurde Theaterstücke gespielt werden, dürfte sich allerdings schon herumgesprochen haben. Was für Wirkungen solche Werke auf den Betrachter haben- außer Abwechslung, überraschender Gag, das Anregen einer bestimmten Gefühsllage, das Gefühl "modern" zu sein, ...., bleibt uns leider verborgen. Vielleicht dient es auch als unkonventionelle Spielwiese für jemand, der in der Gesellschaft sich selbst an feste Regeln halten muss und sich eingeengt fühlt? Fragen, die wohl durchaus nicht unbegründet sind- die aber jeder Betrachter für sich selbst beantworten kann.

Die Natur arbeitet ebenfalls mit dem Zufall- allerdings eingebettet in die Evolution, die eine gewisse Weiterentwicklung, aber auch das Enden in einer Sackgasse bewirken kann. Wenn wir den Formenreichtum der Natur betrachten- in seiner abstrakten Form unter dem Mikroskop- wird man recht bescheiden, was die Entwicklung des abstrakten Formenreichtums durch den Menschen anbelangt. Die Übermittlung von reinen Gefühlszuständen und subjektiven Befindlichkeiten des Künstlers andererseits- auch unter Einsatz von "viel" Farbe - ist natürlich legitim - kann aber nach meiner persönlichen Erfahrung sehr schnell langweilig werden. Der Leser mag das natürlich ganz anders beurteilen. Bei nicht wenigen "Abstrakten" ist eine Individualität des Künstlers für uns nur schwer oder gar nicht mehr erkennbar - die Werke unterschiedlicher Künstler unterscheiden sich dann nur noch kaum voneinander.


Wenn abstrakte Formen in der "Kunst", zwei oder dreidimensional, allerdings den Charakter von "Klecksogrammen", von Rorschachtests also haben, dann sind wir persönlich nicht begeistert, es sei denn, diese Formen sind von ästhetischem Interesse- also nicht nur sinnlos hingekrickelt oder "hingerotzt".


Wir schließen mit zwei Zitaten, mit deren Inhalt völlig übereinstimmen :


Hanno Rauterberg: Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung, S.Fischer Verlag, 2007, ISBN 978.3-10-062810-7

Seite 197

"Die Kunst ist frei, und der Betrachter ist es ebenso. Er darf Ich sagen und dieses Ich gegen alle Künstler, Händler, Kritiker behaupten. Er muss sich nicht von anderen erzählen lassen, was er sehen soll. "


Wilhelm Schmidt: Mit sich selbst befreundet sein, Suhrkamp Taschenbuch, 2007, ISBN 978-3-518-45882-2

Seite 57

"Ein Bild, eine Installation, ein Text lassen sich deuten und interpretieren; was dabei aber in Wahrheit gedeutet und interpretiert wird, ist immer auch das Selbst und das eigene Leben."


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