Wie in der Kunst, so auch im Leben: Gefühl und Verstand
(Version 1.06, Stand 14.06.13)

 

Wir haben in unserem Werk den Bereich des freien Gestaltens von Materie- im allgemeinen als "bildende Kunst" bezeichnet- mit einem Thema verknüpft, das "seit langer Zeit" für uns von besonderem Interesse ist: Wie kann individuell ein möglichst erfülltes Menschenleben gestaltet werden- unter Beachtung der eigenen speziellen Wesenseigenschaften und der realen, mehr oder weniger widrigen Randbedingungen, die durch eine nur bedingt beeinflussbare Umgebung gegeben sind?- Ein Leben also, bei dessen Ende die eigenen Entscheidungen, das eigene Handeln, mit möglichst wenig Selbstvorwürfen insgesamt bejaht werden kann und kaum "verpassten Gelegenheiten" nachgetrauert wird. Aus der unmittelbaren Verknüpfung der beiden Gebiete "Kunst" und "menschliches Leben" folgt direkt, dass auch Fragen der Psychologie- nicht nur der Kunstpsychologie- hier eine große Bedeutung haben.

Solche Überlappungen von verschiedenen Bereichen mit Gemeinsamkeiten bieten die Möglichkeit, Erkenntnisse, die man zunächst primär in einem Gebiet gewonnen hat, analog oder sinngemäß in den anderen Bereich zu übertragen, grundlegende Zusammenhänge zu erkennen und Schlussfolgerungen zu ziehen, wodurch man möglicherweise wieder Erkenntnisse für das Ausgangsgebiet erhält.

Die Kunst, mit ihrer relativ großen- fast grenzenlosen- Freiheit des Gestaltens, des "gefahrlosen" Durchspielens von Möglichkeiten und Alternativen, hat neben ihren ästhetischen Wirkungen gerade mit der oben beschriebenen Verknüpfungsmöglichkeit für uns besonderen "Reiz"- gerade weil in der Kunst und im Leben gleichermaßen die Verknüpfung von Gefühl und Verstand- bzw. Vernunft- besondere Chancen des "Gelingens" in beiden Bereichen eröffnet.

Wir sind uns natürlich bewusst, dass nicht wenige Menschen uns etwas verständnislos "Luxussorgen" vorhalten werden (würden), da sie selbst im täglichen Einsatz mit ihrer und ihrer Familie Existenzsicherung beschäftigt, sich nicht um eine Verknüpfung von Kunst und Leben kümmern können oder wollen. Dass sich solche "Verständnislosen" überhaupt auf diese Webseite verirren, ist allerdings relativ unwahrscheinlich. Andererseits ist es gerade eine Intention unseres Werkes, vom Alltag und seinen Routinen einen heilsamen Abstand zu gewinnen, um sich zu fragen, ob das Leben, so wie es geführt wird, den eigenen Wertvorstellungen überhaupt entspricht- wie das Leben "sinnvoller" eingerichtet werden könnte und was etwa konkret durch Verzicht in bestimmten Bereichen an Lebensqualität insgesamt hinzugewonnen werden könnte- wo also die eigenen Prioritäten wirklich liegen. Dazu gehört auch die "Kunst" zu bestimmten Versuchungen und Zumutungen "nein" sagen zu können, auch wenn sich dadurch im einzelnen "Nachteile" ergeben.

   

 

 

Die Verknüpfung von "Kunst" mit der Gestaltung des eigenen Lebens liegt recht nahe, wenn man eine Aussage von Sigmund Freud bedenkt:

"Das Leben, wie es uns auferlegt ist, ist zu schwer für uns, es bringt uns zuviel Schmerzen, Enttäuschungen, unlösbare Aufgaben. Um es zu ertragen, können wir Linderungsmittel nicht entbehren. (Es geht nicht ohne Hilfskonstruktionen, hat uns Theodor Fontane gesagt.) Solcher Mittel gibt es vielleicht dreierlei; mächtige Ablenkungen, die uns unser Elend gering schätzen lassen, Ersatzbefriedigungen*, die es verringern, Rauschstoffe, die uns für dasselbe unempfindlich machen. ...

Irgend etwas dieser Art ist unerlässlich. Auf Ablenkungen zielt Voltaire, wenn er seinen "Candide" in den Rat ausklingen lässt, seinen Garten zu bearbeiten; solch eine Ablenkung ist auch die wissenschaftliche Tätigkeit. Die Ersatzbefriedigungen, wie die Kunst sie bietet, sind gegen die Realität Illusionen, darum nicht minder psychisch wirksam dank der Rolle, die die Phantasie im Seelenleben behauptet hat. "[1]

Wenn wir die Kunst im Sinne Freuds als "Linderungsmittel", betrachten, dann kann sie nach unserer Auffassung dieser Rolle am sinnvollsten gerecht werden, wenn sie den Zusammenhang zum Leben, "das uns auferlegt ist", in nicht zu kleinem Maße möglichst bewahrt. Einerseits erlaubt sie uns dann unser eigenes Leben aus einem gewissen Abstand zu betrachten, in dem wir Zusammenhänge- in denen wir stehen, besser wahrnehmen können, andererseits kann sie zu einer Erkenntnis, auch von uns selbst, und zur Bereicherung, zur angemessenen Wahrnehmung, vielleicht sogar etwas zu einer Veränderung unserer Lebenssituation und Lebensplanung etwas beitragen.

Wie eng der Zusammenhang zwischen Kunst und Leben und in welcher Form die Kunst als Linderungsmittel, Ablenkung oder Ersatzbefriedigung empfunden wird, ist sehr von der Persönlichkeit des Gestalters und des Betrachters abhängig. Nicht wenige sehen heutzutage diesen Zusammenhang in ihrer Wertschätzung des Spekulationswertes der Kunst oder im Prestige, das Kunstwerke vermitteln können; in der Vermittlung und Demonstration von Gefühlen und Stimmungen, in der Repräsentation und ..., und ... . Ob man diese besonderen Arten der Wertschätzung von Kunst ebenfalls als Ablenkung oder Ersatzbefriedigung ansehen kann, möge der Leser beurteilen.

 

 

   

In die gleiche Richtung wie Freud- das Leben durch Kunst erträglicher und intensiver zu gestalten- verweist indirekt auch der Philosoph Robert Pfaller:

Robert Pfaller geht der Frage nach,
"wovon wir träumen müssen, um etwas Anderes leben zu können. Welche fiktiven Welten müssen wir produzieren, um eine andere wirkliche Welt realisieren oder in Gang halten zu können." [2, Seite 7]

Er führt weiter aus: " Fragen wie diese scheinen im Moment ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein. Im Maßstab des individuellen Lebens haben postmoderne Identitätspolitiken uns die Vorstellung nahegelegt, jeder, jede, und jedes wäre nur einer, eine und eines und sonst nichts. Dass man, gerade um etwas Bestimmtes zu sein, vielleicht noch etwas Zweites, Anderes sein, oder es wenigstens als Fiktion mit sich tragen muss, fällt gerade in der Postmoderne schwer zu denken- was möglicherweise zur unglücklichen Unabschließbarkeit der "Selbstkonstruktionen" beiträgt, mit der viele Individuen derzeit beschäftigt scheinen: ... [4, Seite 7]

"In der ersten Welt sind wir darum mit unseren Wünschen vorsichtig und zurückhaltend, gehen Kompromisse ein, die wir für unumgänglich und realitätsgerecht halten. In der anderen Welt , von der wir wissen, dass sie nicht wirklich ist, können wir dagegen unseren Wünschen freien Lauf lassen ..., sozusagen zu vollen Wesen, die kein Zweifel plagt und keine Rücksicht auf Herstellbarkeit des Gewünschten in der Realität." [2, Seite 21]

... "Die erste Welt ist die unseres wirklichen Lebens mit allen Mühen, Frustrationen und Kompromissen. Die zweite Welt ist die der Träume, Wünsche und Illusionen. ... Robert Pfaller (entfaltet) die ganze komplizierte Dialektik von Realität und Wunsch und zeigt den Stellenwert zweiter Welten: Weil wir keine Phantasie mehr haben, aus der wir erleichtert ins Leben flüchten können, gerät uns das Leben selbst zu einem auswegslosen Albtraum."[2, Seite 21]

Die Kunst mit ihren großen Freiräumen der Phantasie und des Ausdrucks erscheint uns besonders geeignet, andere Möglichkeiten und Entwürfe, als sie uns das "normale" Leben bietet, durchspielen zu können- somit kann sie die Rolle einer zweiten Welt- abhängig wieder natürlich von der Persönlichkeit des Gestalters und des Betrachters- durchaus übernehmen.

 

 

Wie bereits oben angedeutet, sind für uns insbesondere Überlappungsgebiete, Schnittmengen also, zwischen unterschiedlichen Gebieten von Kerninteressen interessant, da diese zu neuen Erkenntnissen, und gemeinsamer Sichtweise von zunächst unterschiedlich anmutenden Erscheinungen führen können. Konkret: Kunst ist auch Ausdruck der individuellen und kollektiven, gesellschaftlichen Psyche, Weltanschauung, aber auch Lebensform- nicht selten in zugespitzter Form.

Sofern man Kunst nicht nur ausschließlich als Vehikel des "Neuen" oder als "Stimmungsmacher", Kunst um der Kunst willen, "Gefühlstimulans", ... ansieht, sondern sie im Verbund von Gefühl und Verstand auch als Anregung von Erkenntnis, dann ist gerade der indirekte Weg von Erkenntnis über den "Umweg" der Kunst durchaus glaubhaft.

Dass nicht selten der bewusst eingeschlagene indirekte Weg- mit "gewolltem Umweg"- besser und schneller zum Ziel führt als der direkte, wird einerseits durch Künster selbst bestätigt, andererseits auch durch Erkenntnisse aus einem ganz anderen Bereich unterstrichen, der dem- horribile dictu- Management und der Unternehmensberatung zuzuordnen ist: Das Ziel könnte man im hier betrachteten Zusammenhang ganz allgemein als Verbesserung der Lebensqualität beschreiben.

Dazu zwei Zitate:

"Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit erkennen lässt" (Pablo Picasso)

"Erfolg auf Umwegen
Wenn man etwas Bestimmtes erreichen will, ist es oft besser, einen Umweg zu gehen. ... So paradox es klingt, viele Ziele erreicht man leichter, wenn man die Kunst des Umwegs beherrscht. ... , die Vergangenheit zeigt, dass die indirekte Annäherung oft die erfolgreichste ist, besonders auf schwierigem Terrain. Zu glauben, man könnte in dieser komplexen Welt alles nach Plan X in den Griff bekommen, ist anmaßend, fantasielos und führt nicht zu nachhaltigem Erfolg." [3]

 

 

    Das Mittel, einen gefühls- und verstandesmäßigen Bezug zwischen Kunstwerk und Betrachter zu schaffen ist die Interpretation. Als Einstieg in eine angemessene Deutung unserer Werke haben wir nicht selten noch Hinweise, teilweise auch ganz konkrete Informationen gegeben und Zitate in Zusammenhang mit dem betrachteten Thema angeführt. Der Grund dafür ist, dass bei Eingrenzung eines betrachteten Themas die Phantasie stärker anregt wird, als bei einer allzu großen Beliebigkeit des Betrachteten- wie Erfahrungen gezeigt haben. Grundsätzlich wollen wir den Betrachter dazu anregen, sich selbst kritische Fragen zu einem bestimmten Thema zu stellen und dazu seine individuelle Antwort zu suchen. Nicht wenige Fragen, die sich grundsätzlich in einem Menschenleben stellen, sind von der geschichtlichen Situation recht unabhängig, die Antworten darauf werden häufig hingegen stark von der individuellen Lebenssituation und vom Zustand der Gesellschaft, vulgo vom "Zeitgeist", beeinflusst. Unsere eigenen Antworten wollen wir deshalb dem Betrachter nicht aufdrängen. Falls er dennoch verschiedentlich den gegenteiligen Eindruck haben sollte, dann möge er bitte den Text und die Darstellung als kleine Provokation auffassen, sich selbst eine besonders kritische Auffassung zum Dargestellten zu bilden.

 

Weitere Hinweise auf die mögliche Wirkung von Kunst auf den "Gestaltenden" sowie auf den Betrachter führen wir an anderer Stelle dieser Webseite auf. Dazu werden auch Erkenntnisse aus der natürlichen und kulturellen Evolution sowie aus der Kunstpsychologie herangezogen.

Wir haben uns zur Gestaltung von Reliefs und nicht von Bildern entschieden, weil uns die größeren handwerklichen Herausforderungen bei der Gestaltung von dreidimensionalen, interpretationsoffenen Formen gereizt haben. Ein Grund dafür, in vielen unserer Werke dem Betrachter eine Möglichkeit anzubieten, sich direkt durch Interpretation einzubringen und einen Zusammenhang zwischen sich selbst, seinem eigenen Leben und dem Dargestellten zu schaffen, ist unser recht häufiges Empfinden einer elementaren Beziehungslosigkeit zwischen nicht wenigen Kunstwerken und uns selbst- abgesehen von dem recht schnell abklingenden Reiz des Neuen oder einer rein ästhetischen Empfindung.

Diese Webseite haben wir zum einen für uns selbst entworfen, um uns ein wenig mehr Klarheit über verschiedene Zusammenhänge zwischen "Kunst" und "Leben" zu verschaffen, zum anderen möge sie den Leser und Betrachter dazu anregen, sich kritisch nach seinem eigenen Verhältnis zur Kunst befragen und abzuklären, was seine eigenen Werte- im Bereich Kunst und Leben- sind, unabhängig davon, ob ihm die hier vorgestellten Werke gefallen oder nicht.

"Die Kunst ist frei, und der Betrachter ist es ebenso. Er darf Ich sagen und dieses Ich gegen alle Künstler, Händler, Kritiker behaupten. Er muss sich nicht von anderen erzählen lassen, was er sehen soll. "[4, Seite 197]

 

* z.B. in einer zeitgemäßen, modernen Form: "shoppen"

 

Literatur:

[1] Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 1994

[2] Robert Pfaller: Zweite Welten - und andere Lebenselixiere, S. Fischer, 2012, ISBN 978-3-10-059034-3

[3] John Cay: Obliquity- Die Kunst des Umwegs, dtv, 2011, ISBN 978-3-423-24830-3

[4] Hanno Rauterberg: Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung, S.Fischer Verlag, 2007, ISBN 978-3-10-062810-7

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